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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Arbeitszeiten



Fynn
20.05.2009, 15:39
Hallo,

ich habe eine Frage zu den Betriebsformen in der Binnenschiffahrt. Ich habe gegoogelt und festgestellt, daß z.B. in der RheinSchUO die Betriebsformen A1 (14 h Fahrtzeit pro 24 h), A2 (18 h pro 24 h) und B (ununterbrochene Fahrt) beschrieben werden. Ich nehme an, daß die Schiffe in der Ruhezeit irgendwo anlegen oder ankern. Gibt es festgelegte "Ankerzonen" oder ist es dem Belieben des Schiffsführers überlassen (natürlich nur außerhalb evtl. Verbotszonen)? Auf den Segeltörns, an denen ich teilgenommen habe (Ijsselmeer), wurde immer Ankerwache gegangen (wenn wir mal geankert haben, meist wurde über Nacht in einem Hafen festgemacht und es war keine Wache nötig). Ich nehme an die beiden Schiffsführer behalten ihren Sechsstunden-Rhytmus Wache/Ruhe bei und so ist für die Ankerwache gesorgt. Richtig?
Zum Schluß - welche Betriebsform ist am gängigsten? Ich habe zwei Hinweise gefunden, einmal hieß es A2 und das andere mal B.

Vielen Dank und Gruß,
Fynn

Jürgen F.
20.05.2009, 16:28
In der B - Fahrt wird meistens ein 6-stündiger Wachwechsel angewendet. Sollte es vorkommen, daß ein Schiff vor Anker liegen muss, wird normalerweise keine extra Ankerwache gegangen. Bei Zwischenfällen die ein Verholen oder neues Ankersetzen erfordern ist dann die diensthabende Schicht gefordert welche lt.Dienstplan dran wäre.
Während auf den Westdeutschen Kanälen meistens A1 gefahren wird ist es auf Strom eher A2 oder B. In den Kanalstrecken gibt es festgelegte Anleger die ausgeschildert sind, wobei auf dem Rhein durch Ankerverbotsschilder darauf hingewiesen wird, wo man nicht Ankern darf. Allerdings gibt es natürlich schlechte Stellen an denen es sich sehr unruhig liegt. Bei den Schiffen die noch eine Wohnung auf dem Vordeck haben kann das Klapern und Klötern der Ankerketten schon ziemlich nerven, besonders wenn viele Schiffe in unmittelbarer Nähe vorbei fahren.
Was die Betriebsformen A1, A2 und B betrifft so muss die Besatzung entsprechend gross sein und das bedeutet richtig hohe Kosten.
Ich glaube, alles einigermaßen richtig beschrieben zu haben, lasse mich aber auch gerne verbessern.
Schöne Grüße vom nassen Dreieck
Jürgen F.

Fynn
20.05.2009, 18:09
Vielen Dank.

Wie sind die Wachzeiten bei A1 und A2? Ich meine gelesen zu haben zumindest in der Seefahrt beträgt die maximale Arbeitszeit 12 h pro 24 h (auf Dauer). Bei A1 müsste der Schiffsführer ja 14 h arbeiten. Bei A2 sind zwei SF vorhanden, die könnten 6on/6off arbeiten und damit würde auch die Ruhezeit durch eine diensthabende Schicht abgedeckt.

Gruß,
Fynn

Jürgen F.
20.05.2009, 19:47
Die Wachzeiten in der Binnenschifffahrt sind meines Wissens nicht festgelegt, sondern werden von der Besatzung geplant. Zumindest war das zu meinen Stinnes Zeiten so ( vor 17 Jahren ). In der A1 Fahrt geht man eigentlich davon aus, daß ein fähiger Matrose bzw. Steuermann an Bord ist der den Schipper ablösen kann.
Witzigerweise wird es bei uns, d.h. beim WSA Rheine so gehandelt, daß mehr als 10 Stunden Arbeitsrechtlich nicht vertretbar sind. In Notfällen sind ausnahmsweise wie z.B. beim Eisbrecher Einsatz schon mal 12 Stunden drin, was die behinderte Schifffahrt natürlich Super findet. Das scheint aber eher den Hintergrund zu haben, daß die Besatzungen einfach zu viel verdienen könnten, obwohl die Mehrstunden abgefeiert werden müssen.
Da sollte man vielleicht mal bei Feuerwehren und bei der Polizei einführen dann wäre das Chaos perfekt.

Gruß Jürgen

weno54
21.05.2009, 08:32
Hallo jürgen,
das mit unseren Arbeitszeiten von 10 Stunden beim WSA ist schon sehr gewöhnungsbedürftig. Wenn man aus der richtigen Schiffahrt kommt und mit A1 auf ca 100 Stunden die Woche kommt bzw.fahren darf, kann ich den Krampf mit unseren Vorschriften eigentlich nicht verstehen. Beim Eisbrechen auf dem Main-Donau Kanal fuhren wir mit 2-3 Schichten, was einen enormen Personalaufwand verursachte, nur um 14 bis 16 Stunden abzudecken. Eigentlich sollten wir für unsere Kundschaft (Bürger=Arbeitgeber) da sein und deren Fahrtzeiten berücksichtigen.
Gruß Werner

Fynn
21.05.2009, 11:02
Da ich im Netz nur die Mindestbesatzungen für die Rheinfahrt gefunden habe, weiß ich nicht in wieweit diese von anderen Fahrtgebieten abweichen. Ich vermute aber mal, da wird nicht viel anders sein, da ja ein bestimmter Personalstamm für den reinen Schiffsbetrieb unabhängig vom Fahrgebiet vonnöten ist, z.B. minimal ein Schiffsführer und ein Matrose. Solange zwei Schiffsführer oder je ein Schiffsführer und Steuermann an Bord sind, können sie sich ja abwechseln. Aber darf denn der (einzige) Schiffsführer auf einem "A1-Schiff" einem Matrosen (ohne Patent bzw. Qualifikation als Schiffsführer/Steuermann) so einfach das Ruder überlassen und sich eine Stunde aufs Ohr legen (in seiner Kabine)? Solange er im Steuerstand bleibt und Papierkram o.ä. erledigt, ok -je nach Einrichtung kann er sich ja auch hier eine Mütze Schlaf gönnen, er ist ja praktisch sofort ansprechbar wenn etwas schief läuft. Viele Matrosen streben bestimmt eine Karriere als Steuermann und Schiffsführer an, da ist jede Praxis im Steuern willkommen.
Gestern habe ich den Beitrag hier im Forum gelesen, wo ein ankerndes Tankschiff (TMS Telstar) nach dem Slippen des Ankers abtrieb, also offenbar war weder eine Ankerwache vorhanden noch ein entsprechendes Alarmgerät vorhanden. Soviel zu meiner Frage am Anfang :Kap:

Gruß,
Fynn

weno54
23.05.2009, 08:43
Hallo Fynn, in der gewerblichen Binnenschiffahrt sind Ankerwachen nicht üblich, bis auf ganz seltene Ausnahmen. Wie soll auch eine A1 Besatzung noch Ankerwache machen? Ruhezeiten sind einzuhalten für die ganze Besatzung. Die Wache würde ja von der Fahrzeit am Tag für den Wachgänger abgehen, ergo unterbemannt.
Gruß werner

weno54
23.05.2009, 08:51
Noch ein Nachtrag zum überlassen des Ruders an den Matrosen.
Kein Schiffsführer wird sich aufs Ohr legen in der Wohnung wenn er die Fahrkünste seines Matrosen nicht einschätzen könnte.Er wird dessen Alter, Fahrzeit usw. schon berücksichtigen müssen bzw. muss!!!
In der Verordnung steht auserdem das Mindestalter bzw. Eignung des Rudergängers sowie keine Zeitvorgabe wie lang er den Schiffsführer am ruder vertreten darf.
Gruß Werner

Fynn
23.05.2009, 09:09
Danke für die Antwort.

Ich hatte nur Zweifel, ob es grundsätzlich rechtlich zulässig ist, mal ganz abgesehen vom Dienstalter, Erfahrung und befahrener Strecke. In der Seefahrt wird immer viel Wert darauf gelegt, daß stets ein qualifizierter Wachoffizier auf der Brücke ist, auch wenn rundum Hunderte Kilometer leerer Ozean sind. Die Fahrt auf Flüssen und Kanälen stelle ich mir navigatorisch ungleich anspruchsvoller vor. Gut, es wird auch "einfache" Abschnitte geben welche nicht das ganze Können des Schiffsführers erfordern und wo er seinen Matrosen mal zusätzliche Erfahrungen sammeln lässt.

Bezüglich der Ankerwache: Die Kombination aus einem guten Ankergrund und einem entsprechenden Warngerät, welches Verdriften des Schiffes meldet, dürfte eine Ankerwache in 99,9% der Fälle überflüssig machen.

Gruß,
Fynn

Dominic
23.05.2009, 16:27
Hallo,
was die Anker-/Bordwache angeht:

§ 7.08 Wache und Aufsicht (BinSchStrO/RheinSchPV)



An Bord stillliegender Fahrzeuge, die eine Bezeichnung nach § 3.14 führen müssen, muss sich ständig eine einsatzfähige Wache aufhalten. Die zuständige Behörde kann jedoch die Fahrzeuge, die in einem Hafenbecken stillliegen, von dieser Verpflichtung befreien.
An Bord stillliegender Fahrgastschiffe, auf denen sich Fahrgäste befinden, muss sich ständig eine einsatzfähige Wache aufhalten.
Alle übrigen Fahrzeuge, Schwimmkörper und schwimmenden Anlagen müssen beim Stillliegen von einer Person, die in der Lage ist, im Bedarfsfall rasch einzugreifen, beaufsichtigt werden, es sei denn, die Aufsicht ist wegen der örtlichen Verhältnisse nicht erforderlich oder die zuständige Behörde lässt eine Ausnahme zu.
Gibt es keinen Schiffsführer, ist jeweils der Eigentümer, Ausrüster oder sonstige Betreiber für den Einsatz der Wache und der Aufsicht verantwortlich.



Gerade die Nr.1 hat schon des öfteren zu Problemen mit den Fahrzeiten bei Fahrzeugen mit Gefahrgut geführt, weil die Wachzeiten nicht als Ruhezeiten der Besatzung für die entsprechende Betriebsform angerechnet werden dürfen.

Bis dann

Dominic

Fynn
23.05.2009, 17:15
Danke für die Beiträge.

Auf der sicheren Seite ist der Schiffsführer/Betreiber wohl am ehesten wenn das Schiff irgendwo anlegt (kostet bestimmt i.d.R. Gebühren) oder er bezahlt den Bereitschafts-/Wachdienst. Wie letzterer aussieht, ist natürlich Auslegungssache. Der eine sitzt im Steuerstand und sieht fern (liest/surft im www/bastelt Buddelschiffe), der andere sieht es als ausreichend an, wenn er bei Verdriften alarmiert wird und binnen Minutenfrist (ups, schon die nächste Auslegungssache...) eingreifen kann. Die Formulierung "An Bord ... muss sich ständig eine einsatzfähige Wache aufhalten." ist ja ausreichend allgemein formuliert. Na ja, das Thema ließe sich zweifellos ausgiebig durchdiskutieren. Ich halte als Antwort auf meine Frage mal fest, daß A1- und A2-Schiffe in der gesetzlichen Ruhezeit anlegen oder sicher ankern. Die nötige Bereitschaft wird durch den Schiffsführer in Absprache mit der Crew sichergestellt. Bei A2 paßt es gut in den Wachrhytmus der beiden Schiffsführer.

Gruß,
Fynn