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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schiffswerft/-schlosserei Bender- Minden



Visurgis
02.01.2010, 15:50
Moin, moin,
die einzige Werft am Mittellandkanal, die in den Jahren 1954 bis 1958 insgesamt 8 Schiffe der Typen Karl Vortisch und Gustav König baute. Danach ging die Werft in Konkurs.

Viele Grüße

grotefendt
11.01.2010, 19:07
Hallo Visurgis

Ist ja ein Ding,so was hab ich auch noch nicht gesehen,es geht also auch ohne schiefe Ebene.

Sieht ja sehr riskannt aus.

grüße Klaus

Gernot Menke
11.01.2010, 19:21
Wirklich interessant - auch mir ist so etwas neu!

Großer Vorteil: man konnte in der Ebene bauen. Auch sparte man eine platzraubende Helling. Der Stapellauf funktioniert wohl so, daß die Schlittenwagen an die Uferkante fuhren (oder gab es die nicht einmal und das Schiff wurde in der im ersten Foto zu sehenden Position gebaut!?) und das Schiff dann auf den beiden als Rutschbahn ausgelegten Balken ins Wasser glitt. Wahrscheinlich wurde beim Kippen an diesen Balken angesetzt. Aber es ist erstaunlich, daß so etwas auch mit 80 m-Schiffen (Gustav Koenigs) funktioniert haben soll (Karl Vortisch (57 m) ist immer noch bemerkenswert genug). Vielleicht hat man dann drei oder mehr Balken als Rutsche genommen.

Klar ist, daß so etwas nur an Plätzen möglich ist, die einen gleichbleibenden Wasserstand haben, wie hier am Kanal. Theoretisch konnte man auch gleichzeitig an mehreren Schiffen bauen, nur hätte man sie dann nacheinander fertigstellen müssen, denn hochholen konnte man ein Schiff auf diesen Balken sicherlich nicht wieder. Eine reine Bauwerft also, jedenfalls was Reparaturen unter der Wasserlinie betraf!

Ich denke, daß es sich um eine sehr kleine Werft gehandelt hat und immer nur ein Schiff gebaut wurde. Es wäre schön, mehr hierüber zu erfahren, insbesondere auch darüber, ob die Werft wegen ihrer Größe in Konkurs ging oder ob sich diese Art von Schiffbau doch nicht bewährt hat.

Danke für diesen äußerst interessanten Beitrag!

:wink: Gernot

Navico 2
11.01.2010, 19:29
Ich kann mich noch daran erinnern. Ich war von Okt.1953 bis zum März 1955 im Schifferkinderheim Minden.Der Bauplatz, anders kann man diese Werft nicht bezeichnen war am Westhafen Südseite. d Einen Stapellauf haben wir life mit erlebt. Ob schulfrei oder so vorbeigekommen, das kann ich nicht mehr sagen. Auch wurde erzählt, das die Balken mit Schmierseife eingerieben waren und einen Schwupp und das Schiff lag im Wasser.
Ich meine, ein GMS Karl-Gerald wurde auch da gebaut, der Eigner war von Minden, aber ich komme nicht auf den Namen.
Navico 2
Gruß Manfred

Unregistriert
13.01.2010, 19:22
Ich meine, ein GMS Karl-Gerald wurde auch da gebaut, der Eigner war von Minden, aber ich komme nicht auf den Namen.
Navico 2
Gruß Manfred
Das ist richtig. Es war das erste Schiff, das in Minden bei der Schiffswerft Bender gebaut wurde. Mein Vater war der Eigner. Nach dem GMS "Karl-Gerald" kam dann das GMS "Visurgis", heute GMS "Sunisha" (nicht bei Bender gebaut).

"Karl-Gerald" wurde auf Land auf einer glatten Fläche gebaut. Nach Fertigstellung des Rumpfes wurden drei einseitig geglättete Baumstämme unter den Schiffskörper gelegt. Diese wurden beim "Stapelsprung" mit einfacher Schmierseife eingeschmiert und dann wurde der Schiffskörper auf den Baumständen , mittels einfacher Handwinden Richtung Wasser gedrückt. Bei einem Überhang von ca. 3m kippte dann der Schiffskörper ins Wasser ab, nachdem die Unterzüge landseitig etwas angehoben wurden. Die Böschungshöhe betrug damals ca. 2m. Die größten bei Bender gebauten Schiffe hatten die Maße 67m x 8,20m, dass waren seinerzeit die Konstruktionsmaße des "Typs Gustav Koenig" (nicht 80 m).
Warum ging Bender in Konkurs? Die Neubaupreise waren seinerzeit, um ins Geschäft zu kommen, äußerst niedrig kalkuliert. Es gab bei den letzten Neubauten eine erhebliche Zahl an Mängelrügen und die hohe Entnahme von Geldern aus dem Betrieb für private Zwecke führten die Fa. zum Konkurs. Es handelte sich um einen betrügerischen Konkurs (1,2 Mio DM) mit Anklageerhebung und Festnahme des Inhabers, der mit seiner Buchhalterin flüchtig war (ja, sowas gab es auch damals schon). Der Konkurs lag damals sicher nicht daran, dass sich das Bauverfahren und der Stapelsprung nicht bewährt haben. Es gab bei den acht Stapel-"läufen" nie unliebsame Zwischenfälle. Im Gegenteil, bei Konkurs lagen Aufträge für zwei weitere Neubauten vor. Das Zuwasserlassen der Kaskos war jedenfalls immer ein spektakuläre Sache, bei der Wellen im Sinne des Wortes hoch schlugen.

(http://img69.imageshack.us/i/stapelsprung.jpg/)

Visurgis
13.01.2010, 21:36
Ergänzung:
Obiger Beitrag #5 ist von Visurgis geschrieben. War wohl nicht angemeldet, als ich den Beitrag abgeschickt habe. Na ja, lerne eben noch.

Gernot Menke
13.01.2010, 23:21
@Danke, Visurgis, für diese interessanten Informationen!

Ich bin gespannt, ob irgendwann mal eine Werft an einem anderen Ort auftaucht, die nach demselben
Prinzip gearbeitet hat.

Noch kurz zum Ort: "Westhafen - Südseite" hat Navico geschrieben. Ist damit das Südufer des MLK bei km 100,25 gemeint?

:wink: Gernot

Navico 2
13.01.2010, 23:32
Hallo Gernot, genau so habe ich das gemeint.
Navico 2
Gruß Manfred

Visurgis
14.01.2010, 15:13
Ich bin gespannt, ob irgendwann mal eine Werft an einem anderen Ort auftaucht, die nach demselben
Prinzip gearbeitet hat.

Moin, moin,
das Verfahren wurde in den 60-igern an einigen Orten in Holland (Binnenland, z. B. Hoogezand bei Groningen)) regelmäßig praktiziert. Kümos wurden damit zu Wasser gelassen. Ich habe da wohl auch noch Bilder - aber wo? Wenn ich sie finde stelle ich sie mal hier ein.
In Deutschland war der Stapelsprung in Minden wohl einmalig.

Visurgis
14.01.2010, 19:12
Moin, moin,
hier ein Bild vom GMS "Karl-Gerald", erste Reise nach der Probefahrt, noch ohne Deck. "Karl-Gerald" wurde 1961 an einen Eigner an den Main verkauft. Was dann mit dem Schiff geschehen ist, ist mir nicht bekannt. Vielleicht fährt es ja noch. Damals wurde das Schiff bereedert von der BSG (Braker Schifffahrtsgesellschaft).

Gernot Menke
14.01.2010, 19:17
Hoogezand bei Groningen - das ist dann wohl die Werft Bodewes (gegründet 1812)? Jedenfalls bauen die Kümos.

Der "Karl-Gerald": wenn er zum Main ging, müßte ihn doch noch einer hier im Forum kennen?

:wink: Gernot

Visurgis
14.01.2010, 19:33
Hoogezand bei Groningen - das ist dann wohl die Werft Bodewes

Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich meine mich zu erinnern, dass die Werft Bodewes stimmen könnte. Habe mein ganzes Bilderarchiv in Sachen Stapelsprung durchgesehn, aber bislang ohne Erfolg. Ärgert mich, weil das ein sehr schönes Bild war/ist.

Friedhelm L.
14.01.2010, 21:09
Bei der Bodewes-Werft werden noch immer Schiffe mit einem Stapelsprung über die Kaikante zu Wasser gelassen. Sogar große Kümos und Seeschlepper.

Gruß
Friedhelm

Gernot Menke
14.01.2010, 23:53
es geht also auch ohne schiefe Ebene

grüße Klaus

Wenn man genau hinsieht, ist die schiefe Ebene ja doch da - nur ist sie recht steil und in diesem Fall etwas behelfsmäßig. Ich war mir nicht bewußt, daß dieses Verfahren offenbar doch recht häufig praktiziert wurde oder sogar noch wird (siehe Bodewes).

Eine Helling mit Schlittenwagen braucht man ja nur, wenn man ein Schiff aus dem Wasser holen können will. Runter geht es immer irgendwie, weswegen reine Neubauwerften ohne Schlittenwagen auskommen und die Schräge sehr steil sein kann. Denn Vogel in dieser Beziehung schießt - oder vielmehr schoß - vermutlich die Elbe-Werft in Boizenburg ab. Geht mal auf diesen (runterscrollen) Link (http://images.google.de/imgres?imgurl=http://www.fr-online.de/_em_daten/_multicom/2009/10/13/091013_grenzland_boitzenbur.jpg&imgrefurl=http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/20_jahre_mauerfall/grenzland/2009099_22.-Station-Boizenburg.html&usg=__1MKpdrc9Ev-mmNus7aS-XcVR6m0=&h=360&w=480&sz=26&hl=de&start=1&tbnid=aZ9sbSWxfYtcyM:&tbnh=97&tbnw=129&prev=/images%3Fq%3Dboizenburg%2Bwerft%26hl%3Dde%26sa%3DG )und drückt "Autoslideshow starten - da kommt in einem interessanten Beitrag über die Werft auch eine Aufnahme der steilen Querhelling. Auch Kreuzfahrtschiffe von 125 m Länge für die sowjetischen Ströme gingen hier runter und wurden in Hamburg endmontiert, weil sie sonst nicht unter den Elbebrücken durchpaßten.

Aber ich habe noch mehr gefunden.

Drei Bilder von Stapelläufen auf der Meyer-Werft in Papenburg. Das erste Foto zeigt einen Stapellauf im Jahr 1951 des FGS "Westfalen". Deutlich sieht man, wie die Balken, die dem Schiff über die Uferkante hinweghalfen, durch die Gegend fliegen. Dasselbe gilt für Bild 2, wo die Kante am Ufer deutlich zu sehen ist. Hier handelt es sich also nicht um eine bis ins Wasser reichende Schräghelling, sondern um eine Querhelling mit Kante, ähnliche wie in Minden. Der Autotransporter "Undine", der hier 1966 ins Wasser geht und bei seinem Plumps die Wiese gegenüber überschwemmt, war 80 m lang.

Die "Homeric" (Bild 3) wurde aber nicht auf einer solchen Helling zu Wasser gelassen - auch wenn der unglaubliche Schwall, der durch den Stapellauf ausgelöst wird, fast so aussieht (ob den Leuten im Boot da nicht doch etwas mulmig geworden ist?). Denn die Meyer-Werft zog 1974/75 wegen einer engen Eisenbahnbrücken-Durchfahrt ein paar hundert Meter in Richtung Ems und baute eine neue Schräghelling, auf der die "Homeric" gebaut wurde. Die "Homeric" war 1985 mit einer Länge von 204 m das größte Schiff, das bis dahin von einer Querhelling vom Stapel gelaufen war.

In Papenburg gibt es dank einiger Absperrtore zur Ems einen gleichbleibenden Wasserstand, so wie es auch in Minden der Fall war. In Boizenburg an der Elbe hingegen war kein gleichbleibender Wasserspiegel garantiert. Vielleicht hatte man deshalb hier eine richtiggehende, tief herunterreichende Helling. In allen Fällen war aus Platzgründen nur eine Querhelling möglich. Auch in Bremerhaven auf der Geeste gab es (Schichau-Werft und Rickmers-Werft) Querhelligen.

Solche Querhelligen sind einem von Binnenschiffswerften ja bekannt - aber der Unterschied zwischen einer "zahmen" Querhelling mit Schlittenwagen, die das Hochnehmen und Raparieren von Schiffen ermöglicht und "Plumps"-Querhelligen reiner Neubauwerften war mir bisher nicht richtig bewußt gewesen.

Fazit: die Werft in Minden war recht behelfsmäßig eingerichtet, aber im Prinzip kein Einzelfall.

:wink: Gernot

bilgenkrebs
19.06.2016, 19:25
Hallo Schippers
Ich habe hier eine Serie Fotos von einem Stapellauf.Wenn ich die Berichte hier lese und den Wimpel Bild#4 richtig sehe ist das diese Werft.
Beste Grüße
Peter

bilgenkrebs
19.06.2016, 19:36
Hallo Schippers
Hier kommt die Fortsetzung.
Ich kann mich an diese Werft garnicht erinnern ich sehe nur das Kasko geschweißt ohne Maschine,Propeller und Aufbauten nicht mal Ankerklüsen sind drin.Und vom Namen nichts zu sehen.:puke.
Beste Grüße
Peter:wink:

Jürgen S
20.06.2016, 19:49
Moin Peter,

tolle Bilder die du da eingestellt hast ! Bislang wußte ich nicht wo genau der Werftstandort war, aber Dank deiner Fotos ist das nun geklärt! Auf einigen Bilder ist im Hintergrund die Kranbrücke und der Kran der Bekohlungsanlage für die Monopolschlepper im Betriebshafen des Monopols in Minden zu sehen !

Gruß
Jürgen S