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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Oskar Teubert - Die Binnenschiffahrt



Rheintrutz
16.06.2010, 16:25
Ich habe mal eine Frage zu dem Buch
"Die Binnenschiffahrt" von Oskar Teubert.

Das Buch wird wieder zwei Teilen aufgelegt,
und zum Preis von je 98,- Euro erhältlich sein.
***Binnenschiffahrt 1*** (http://www.amazon.de/Die-Binnenschiffahrt-1-Oskar-Teubert/dp/3861953323/ref=sr_1_2/276-4226316-6492119?ie=UTF8&s=books&qid=1276683177&sr=1-2)
Beim googeln stieß ich darauf, dass das Original fast 700
Seiten enthält und etwa 500 Abbildungen.

Kennt oder hat jemand dieses Buch (in einer alten Auflage)?
Handelt es sich dabei um technische Zeichnungen?
Sind diese für Modellbauer geeignet?
Sind Spanntenrisse angegeben?

Ich suche speziell nach Plänen des Schiffstyps
der die MS Franziska aus der gleichnamigen
Fernsehserie darstellt.
Schiffe die Rumpfmäßig so ähnlich aussehen, sind z.B.
die ***Spartivento*** (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?23210-Spartivento-GMS-2320586)
oder die
***Lina-Amalia*** (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?17682-Lina-Amalia-SK)
oder die
***Horneck*** (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?10896-Horneck-MS-04601590&highlight=Vuijk)


100 Euro ist natürlich ein Wort, und ich habe noch eine
wiederaufgelegte Version des Verlages Nabu Press
gefunden. Ein amerikanischer Verlag, der alte Bücher
die schon seit vielen Jahren nicht mehr Verlegt werden
scannt und sie als Paperback verkauft. Natürlich mit allen
Fehlern die das Original hat. Scheckige Seiten, Flecken usw.
Hat jemand dieses Buch?
***NABU version*** (http://www.amazon.de/Die-Binnenschiffahrt-Handbuch-Alle-Beteiligten/dp/114776798X/ref=sr_1_4/279-8444336-0852932?ie=UTF8&s=books&qid=1276697769&sr=1-4)

Gruß
Holger

Gernot Menke
18.06.2010, 23:13
Hallo Holger,

eigentlich ist das Buch ein Muß, ein Klassiker zur Binnenschiffahrt und DAS Handbuch für die alte Zeit - es ist ja 1912 erschienen - überhaupt. Wer wissen will, wie lang die Ankerkette eines Schleppschiffs zu sein hat, etwas über die Dampfschiffahrt, das Treideln oder die Kettenschiffahrt sucht, der findet hier interessante Informationen.

Die Motorschiffahrt spielt in dem Buch noch fast keine Rolle. Immerhin heißt es bereits 1912: "... nach der Einführung der Gasmaschinen wurde von manchen Seiten behauptet, daß durch deren Einbau in alle Lastschiffe ein vollständiger Umschwung im Betriebe der Binnenschiffahrt eintreten würde." Teubert hat da aber andere Ansichten: "Auf das Unrichtige dieser Annahme wurde schon ... hingewiesen. ... da... es sehr unwirtschaftlich wäre, die Größe der Triebkraft so hoch zu bemessen, daß sie auch für die Bergfahrt in starker Strömung ausreicht. Außerdem würde ein solcher Umschwung dem ganzen Wesen der Binnenschiffahrt widersprechen, das gerade in dem Betriebe mit Zügen beruht."

Da das Buch ein Handbuch über die Binnenschiffahrt ist, gibt es keine Baupläne bestimmter Schiffe, sondern Baupläne für Typisches: ein Mainschiff, ein Neckarschiff, Rheinschiffe verschienener Größen von der Seite, von oben, von vorne, von hinten, aber keine Spantenrisse. Und es werden immer typische Grundformen behandelt, nie bestimmte einzelne Schiffe. Es sind auch relativ wenige Skizzen, dafür aber von allen Schiffstypen. Deswegen gibt es auch kein MS Franziska und keine Lina Amalia, sondern nur "ein Schleppschiff vom Rhein".

Auch solche Zitate findet man: "Bei der Frage der Fortbewegung auf Kanälen (wird) oft das Schlagwort von der "Freiheit der Schiffahrt" vernommen. Es sollte in Deutschland eigentlich überflüssig sein, darauf hinzuweisen, daß die wahre Freiheit nur in strenger Ordnung zu finden ist."

Noch in anderer Hinsicht ist das Werk ein Kind seiner Zeit. Die ausführliche Abhandlung über die historische Entwicklung der Binnenschiffahrt auf den einzelnen Wasserstraßen im In- und Ausland - gegliedert übrigens in die Zeit bis 1870 und danach, die Reichsgründung läßt grüßen - war damals deswegen ein Gegenstand eines so großen Interesses, weil man im Zeitalter eines nie gekannten Fortschritts lebte und glaubte, daß sich im Geschichtsprozeß die Entwicklung hin zu etwas Höherem offenbare. Zu diesen höheren Ideen zählte man ja auch die deutsche Nation, die 1871 geschichtliche Wirklichkeit geworden war. Man lebte im Zeitalter des Historismus: geschichtliche Entwicklung und Fortschritt waren eigentlich dasselbe, weswegen der Krieg der Kolonialmächte gegen die ärmeren Länder und deren Ausbeutung "fortschrittlich" war. Erst wenige Jahre später sollte dieser naive Fortschrittsglaube im Weltkrieg einen herben Dämpfer erfahren.

Der "Teubert" ist noch in einer zweiten Hinsicht ein ganz typisches Buch der Zeit vor dem ersten Weltkrieg: ein Buch mußte damals ein mehrbändiger Schinken mit mehreren hundert Seiten sein - wahrscheinlich, um auf diese Weise der Komplexität der so wichtigen historischen Entwicklung in allen Einzelheiten gerecht zu werden. Er behandelt wirklich alles: von den physikalischen Grundlagen des Schwimmens eines Schiffs über wasserbauliche und hydrologische Dinge, die historische Entwicklung der Binnenschiffahrt, technische Ausrüstungen von Schiffen bis hin zur Frage: Groß- oder Kleinbetrieb.

Solche Bücher sind übrigens in den Universitätsbibliotheken - gegebenenfalls als Fernleihe, wenn die Bibliothek in der Nähe das Buch nicht besitzt - gegen geringe Gebühr von Jedermann ausleih- oder, falls sie zu wertvoll sind und man sie nicht mit nachhause nehmen darf - einsehbar. Finden lassen sich die Bücher im Internet am besten über den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK), aus dem man dann auch ersehen kann, wo die Bücher vorhanden sind.

Na, dann viel Spaß beim Lesen!

:wink: Gernot

Gernot Menke
19.06.2010, 16:20
Ich habe gerade den Einband der Taschenbuch-Neuausgabe des Teubert gesehen und bald einen Anfall gekriegt: was haben denn frühneuzeitliche Seekarten und alte Schlüssel mit der Binnenschiffahrt zu Anfang des 20. Jahrhunderts zu tun?? Ich glaube nicht, daß Rheinschleppschiffe nach diesen Karten ums Kap der Guten Hoffnung gesegelt sind.

Na ja, da war mal wieder so ein völlig unschiffiger Marketing-Stratege am Werk, der sich gesagt hat: Aha, Schiffahrt. Das verkauft sich am besten mit einem Schuß Romantik. Also mußte eine alte Seekarte her mit irgendwelchen Schatztruhen-Schlüsseln drauf.

Man hätte ja verziehen, daß das platt und abgedroschen ist. Aber in diesem Fall ist es auch noch vom Zusammenhang her völlig falsch. Sechs, setzen.

Buchautoren haben es auch nicht einfach. Die finden oft nur dann einen Verlag, der ihnen ihr Buch druckt, wenn sie sich von so einem Marketing-Herren wenigstens als Untertitel etwas Reißerisches anhängen lassen. "Geschichte der Rheinschiffahrt"? Guter Mann, wie wollen Sie so was verkaufen? Da muß dann als Untertitel immer drunter: Vom Einbaum zum Atomschiff oder wenigstens: Vom Schleppkahn zum Schubverband.

:wink: Gernot

Rheintrutz
20.06.2010, 00:18
Hallo Gernot,

Danke für die ausführliche Antwort. Das hört sich sehr interessant an. Ich werde mal versuchen
ein Exemplar auszuleihen. Auch wenn es nicht für den Modellbau geeignet ist, hast Du mich Neugierig gemacht.
Was den Einband angeht, gebe ich Dir recht. Völliger unsinn, da überhaupt einen Einband für zu "designen",
denn solche Bücher werden eh nicht im vorbeigehen gekauft. Dafür sind sie viel zu speziell.

Gruß
Holger

martse
03.08.2010, 23:57
Hallo,

die Bücher von Oskar Teubert sind oft zitierte Grundlagenliteratur und wirklich lesenswert. Band 1 der Binnenschiffahrt ist in den ersten Teil: Einleitendes und Geschichtliches, sowie Teil zwei: Die Fahrzeuge der Binnenschiffahrt unterteilt. Der zweite Teil könnte interessant sein. Es gibt einige exemplarische Linienrisse (Elbschiff, Weserschiff, Rheinschiff, Donauschiff und Dortmund-Ems-Kanal-Schiff) und viele Detailzeichnungen (z.B. Kapitel Bau und Ausrüstung der Lastschiffe). Band 2 informiert eher über das Umfeld der Binnenschiffahrt.

Interessanter dürfte von Wilhelm Teubert "Der Flußschiffbau" sein. Dort sind Linienrisse aber auch Draufsichten und Seitenansichten einzelner Schiffe zu finden. Und etliche technische Zeichnungen von Winden, Aufbauten, Ruderanlagen etc.. Also insgesamt eher die Richtung, die Modellbauer interessieren könnte. Auch als Reprint beim gleichen Verlag - zum gleichen Preis wie die Oskar Teuberts.

Aber die Bücher sind von 1912 bzw. 1920. War Jakob Wildes "Franziska" so alt?

Grüße
Martin

juete
25.11.2010, 10:36
Hallo Holger,
ich besitze die beiden Bände "Binnenschifffahrt I+II". Ich habe sie von meinem Urgroßvater Oskar Teubert geerbt. In diesen Bänden werden ua. die einzelnen Schiffstypen auf den verschieden Flüssen in Deutschland genau beschrieben und auch gezeichnet. Ob diese Zeichnungen allerdings zum Nachbau eines Models reichen, kann ich nicht bewerten.
Gruß
Jürgen