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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : CANAL DE BRIARE



Gernot Menke
21.01.2013, 21:50
Der Canal de Briare ist der älteste der vier Kanäle der Kanalkette längs der Loire - siehe den Beitrag hier (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?44597-Die-Loire-Route) dazu. Schon 1642 wurde der einstmals so genannte "Canal de Loyre en Seyne" eröffnet - zunächst in den Maßen 27 x 4,40 m. In den 1830ern kam die Vergrößerung auf das Becquey-Maß (32,40 x 5,20 m, 1,60 m tief), bevor der Kanal in den 1890ern für Penischen erweitert wurde (gabarit Freycinet, 39 x 5,20 m, 2,20 m tief).

Genau genommen beginnt der Kanal in Briare an der Loire, an der Schleuse Baraban, und der Anstieg bis hoch ins OW der Schleuse 4 / Cognardière, der hier (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?45823-Loire-Seitenkanal-%28Canal-lat%E9ral-%E0-la-Loire%29/page3) in # 21 vorgestellt wurde, gehört also dazu. Wenn man aber heute vom Loire-Seitenkanal kommt und die Kanalbrücke in Briare überquert, dann trifft man erst im OW von Cognardière auf den Canal de Briare. Das durch den Bau der 1896 eröffenten Kanalbrücke überflüssig gewordene alte Anfangsstück des Kanal de Briare, das sich von der Loire zum Niveau der Kanalbrücke hocharbeitet, befindet sich mit seinen vier Schleusen noch im alten Becquey-Format, da ja die Kanalbrücke im Zuge der Erweiterung der Loire-Route auf das Freycinet-Penischenmaß gebaut worden war (gleiches gilt für die drei Schleusen auf der anderen Loireseite im Abstieg des Loire-Seitenkanals zur Loire).

Der Canal de Briare zählt seine Kilometer von der Loire aus nach Norden, mit KM 0 an der Schleuse 1 / Baraban (heute außer Betrieb), KM 3 an der Gabelung im OW der Schleuse 4 /Cognardière und dem Endpunkt des Kanals am Übergang in den Canal du Loing bei KM 56,8 an der Schleuse 36 / Buges. Anders als bei vielen anderen Kanälen in Frankreich wird die Scheitelhaltung also nicht von zwei Schleusen Nr. 1 umrahmt, sondern auch die Schleusen werden von der Loire aus nach Norden über den Scheitel hinweg durchgezählt. Den Scheitel erreicht man von Briare aus recht bald schon neun Kilometer (mit sieben Schleusen) hinter der Gabelung bei Cognardière.

In einer schönen Gegend fallen einem im Anstieg zum Scheitel von Briare aus einige schöne Brücken des Treidelpfades auf, die über Zuflüsse und Speisekanäle des Kanals führen (Bild 1: bei KM 9,5). Überhaupt ist das System der Kanalspeisung von einer unglaublichen Kompliziertheit - wohl wegen des Alters des Kanals und der damit verbundenen Umbauten und Ergänzungen. Man kann sich hier (http://projetbabel.org/fluvial/rica_briare-canal-alim.htm) ein Bild davon machen. Zu dieser Wasserversorgung gehört auch der Aqueduc de la Trézée (siehe hier (http://www.jph-lamotte.fr/files/Plais-hist_briare_elevatoire.htm)), der eine doppelte Rohrleitung in einer Gitterrahmenbrücke bei KM 6,5 über den Kanal führt. Man denkt an eine Industrieleitung, doch wird hier das Wasser vom Hebewerk in Briare von der Loire hoch zur nahen Scheitelhaltung gepumpt.

Die Bilder 2 und 3 zeigen zwei der vielen Klappbrücken, hier an der Nr. 8 / Moulin Neuf und an der Nr. 9 / Les Fées. Bild 4 ist die Brücke über das Unterhaupt der Nr. 12 / Gazonne. Die Kurbel ist eine übriggebliebene Rarität aus der Treidelzeit: mit diesem Kurbelmechanismus, der auf der anderen Brückenseite eine Entsprechung hat, wurden einst die Treidelseile unter der Brücke hindurchbefördert. Über die Rollen lief eine kleine Kette, in die das Treidelseil eingehängt und unter der Brücke hindurchgeleiert wurde. Der Treidelpfad liegt ja oberhalb der Brücke!

Die Bilder 5-8: Rogny mit seiner berühmten siebenfachen Schleusentreppe aus dem Jahr 1642. Auf Bild 7 von der Schleuse 18 / Ste Barbe aus geknipst (Bild 8 deren schönes UW talwärts). Ein Jammer, aber ich hatte einen Tag erwischt, an dem es in Rogny hieß: Anlegen strikt verboten! Der Grund war ein Feuerwerksspektakel (man sieht diverse Leuchtkörper neben der alten Schleusentreppe stehen) mit Musikuntermalung. Mit "Also sprach Zarathustra" ohrenbetäubend aus riesigen Boxen dramatisch zu tal schleusen - das hatte auch etwas. Die schwarzgekleideten Roadies auf der Schleusenbrücke wußten nicht recht, wie sie das deutsche Motorkanu finden sollten und staunten nicht schlecht: so eine ganz andere Szene. Es war Generalprobe und alles war abgesperrt, nur mit dem Boot konnte man noch durch das abgesperrte Gelände fahren - aber eben nicht anlegen. Dann brach die Musik ab und es ertönte der Lautsprechertest: "Rogny Sept-écluses, Rog-ny sept sept écluses é-cluuses- Rogny Rogny Rogny - sept écluses éclu éclu écluses!" Da wußte man doch, wo man war!

Bei Moulin Brulée gibt es noch eine weitere, alte Schleusentreppe von Heinrich dem sovielten, immerhin eine Vierfach-Koppelschleuse, nicht ganz so herausgeputzt wie in Rogny, weniger bekannt und urwüchsiger, im wahrsten Sinne des Wortes (Bilder 9-11). Direkt daneben befindet sich eine weitere Sehenswürdigkeit aus der Zeit der Treidelschiffahrt, eine Schwingbrücke (Bild 12), die ich hier (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?44448-Canal-de-Briare-SCHWINGBR%DCCKE-MOULIN-BRUL%C9) vorgestellt habe. Mit einem Griff war die Brücke einen Spalt weit zu heben und wieder zu schließen, um ohne großen Aufwand oder Behinderungen das Treidelseil durchzulassen. Genial!

Das Foto 13 gibt die romantische Schleuse Nr. 23 / Gazon vom OW aus wieder, Bild 14 die folgende Schleuse 24 Châtillon-Colligny. In dem Hafen rechts war früher sicherlich mehr los gewesen.

Noch ein paar Bemerkungen zur Scheitelhaltung, die ursprünglich nur 2 km lang gewesen war (heute 4,5 km) und von der Nr. 12 / Gazonne bis zu einem Knick in der heutigen Scheitelhaltung reichte - dort steht jetzt ein Silo. Hier befand sich früher eine Schleuse (Rondeau) in der alten Kanaltrasse zur Schleusentreppe. Um bei Wassermangel diese Schleuse offenstehen lassen zu können, hatte man den kurzen Scheitel mit einer Übertiefe ausgestattet. Bei der Erweiterung des Kanals auf das Penischenmaß konnte diese Schleuse daher entfallen. Seit 1882 ersetzt die heutige Schleusentreppe (sechs Schleusen verteilt auf gut einen Kilometer) die alte Siebenfach-Koppelschleuse von 1642 (die übrigens 24 m Höhenunterschied überwand).

Ach ja: unterhalb der Schleuse 18 Sainte-Barbe kreuzt der Loing den Kanal. Hier hätte man den Kanal auch mit einem kleinen Aquädukt über den Loing hinwegführen und die Schleuse erst dahinter anordnen können - aus Kostengründen kam es aber zur bestehenden Lösung. Ob es bei Hochwasser des Loing hier schwierig wird, ist mir nicht bekannt - es gibt auch eine Art Ein- und Auslaßbauwerk.

:wink: Gernot

Gernot Menke
22.01.2013, 23:42
Der Kanal hat eine so ganz andere Atmosphäre als der Loire-Seitenkanal - schwer zu beschreiben. In Châtillon-Coligny sieht man unter der Brücke in der Ortsmitte beidseitig die Treidelpfade (Bild 1). Die Fotos 2-4 sind an der Schleuse 25 / L`Epinois entstanden - mit 4,94 m Hub die zweithöchste Schleuse des Kanals (die höchste ist die darauffolgende mit 5,10). Hier war es wie im Paradies. Die Tjalk gehörte natürlich wieder einem Briten - ich habe auf der folgenden Etappe viel mit ihnen zusammen geschleust.

Der herrliche Speicher (Bild 5) steht bei KM 50,7 schon kurz vor Montargis. Montargis ist auf den Fotos 6-12 (Fußgängersteg - Silo) zu sehen. Montargis ist eine Kleinstadt mit einer Burg und viel Geschichte, einigen Fachwerkhäusern und herrlichen Kanälen - etwas wie in Straßburg, aber alles viel kleiner. Der Kanal geht durch zwei Schleusen im alten Stadtgraben. Die obere der beiden, die Nr. 33 / La Marolle, war früher eine Koppelschleuse gewesen, die im Zuge des Ausbaus auf das Penischenmaß nach 1888 zur heutigen Einzelschleuse mit 4,80 m Hub wurde (Bild 6 zu tal im OW La Marolle, Bild 7 zu berg auf das Untertor La Marolle mit der herrlichen Brücke des Treidelpfads, Bilder 8 und 9 der obere Knick im Stadtgraben, unterhalb der Schleusen, zu tal, Bild 10 Blick zurück zu berg, Bild 11 ein Stück weiter Blick zu berg, Bild 12 zu tal). Die Penische an dem Silo war seit der Saône die erste frachtfahrende Penische, die mir begegnete (LUCANIA aus Gent)!

Die letzten drei Bilder des Kanals: das ist die Schleuse 36 / Buges, in deren Unterwasser der Canal du Loing beginnt, der dann 50 KM später in die Seine mündet. Diese Stelle ist interessant und auch etwas kompliziert. Auf Bild 13 fährt die Tjalk auf dem Canal du Briare nach rechts in die Schleuse Buges ein. Von links mündet der aufgegebene Canal d`Orléans, früher einmal ein ganz wichtiger Kanal, zu dessen Überquerung die lange und herrliche Brücke für den Treidelpfad nötig war. Ich denke mal, sie stammt noch aus der Zeit der Erweiterung des Kanals auf das Becquey-Maß um 1830. Vom Stil her sollte das hinkommen. Auf den letzten beiden Fotos sieht man die Rampe neben der Schleuse, über die man auf die Brücke gelangte. Rechts geht der Blick auf dem letzten Bild in den Canal d`Orléans. Die Fabrik prägte die Kreuzung dort seit dem 19. Jahrhundert - am Tag meiner Durchfahrt standen dort die Abrißbagger!

Die Stelle ist kompliziert, was den Übergang in den Canal du Loing betrifft. Als es den Canal du Loing noch nicht gab und noch der Loing für die Schiffahrt benutzt wurde, endete der Canal de Briare (oder damals de Loyre en Seyne) schon fünf Kilometer vorher, etwa beim heutigen Silo in Montargis (Bild 12), wo der Kanal rechts in den Loing einmündete. Fünfzig Jahre später wurde im Jahr 1693 der Canal d`Orléans eröffnet, 1723 folgte der Canal du Loing, der sich an den Canal d`Orléans zur Seine hin anschloß.

Jetzt war es notwendig, den Briare-Canal an die neuen Kanäle anzuschließen und diese Verbindung entstand 1723 in Gestalt des "Canal Neuf" (Neuer Kanal), der den Briare-Kanal über 5 Kilometer von Montargis bis zum OW der Schleuse Buges verlängerte. Damit war die heutige Kreuzung dort geschaffen.

Der Canal d`Orléans mündete vor dem Bau des Canal du Loing erst eine Schleuse talwärts von Buges in den Loing, in Cépoy. Der Bau des Canal Neuf bis nach Buges und die Überleitung des Canal d`Orléans in den neuen Canal du Loing führten in diesem Bereich aber zu Trassenveränderungen (die alte Trasse ist neben dem heutigen Kanal unterhalb von Buges noch sichtbar), so daß man Nägel mit Köpfen machte und das Stück zwischen Buges und Cepoy, das zuvor das unterste Stück des Canal d`Orléans gewesen war, nun dem Canal du Loing zuschlug. Seitdem ist die Schleuse Buges der Treffpunkt dreier Kanäle: des heute aufgegebenen Canal d`Orléans und des Canal de Briare im OW und des im UW beginnenden Canal du Loing.

:wink: Gernot

Gernot Menke
07.02.2013, 13:04
Von Wilfried Korff habe ich dankenswerterweise ein paar Bilder erhalten, die ich hier hinterherschicke.

Bild 1 ist noch einmal die Vierfachschleuse in Mont Brulé von der Talseite aus - die Schwingbrücke vor der Schleuse ist auf dem Foto für Wilfrieds Boot natürlich nicht angehoben und man übersieht sie leicht! Sie ist sogar in einer Karte mit historischen und technischen Sehenswürdigkeiten des Kanals eingetragen. Wahrscheinlich hätte ich sie gar nicht bemerkt, wenn sie nicht gerade für eine zu berg kommende Hotelpenische angehoben worden wäre! Die Schwingbrücke (zum schnellen und problemlosen Durchlassen des Treidelseils. Es gibt nicht mehr viele solcher Brücken!) hatte ich hier (http://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?44448-Canal-de-Briare-SCHWINGBR%DCCKE-MOULIN-BRUL%C9&highlight=schwingbr%FCcke) schon einmal vorgestellt. Meine Fotos von der alten Schleuse in Mont Brulé sind oben in # 1, Fotos 9-12 zu sehen.

Die anderen beiden Bilder zeigen die Schleusenreste bei Montbuoy auf dem RU, Blick zu berg. Bei Schleusen, die auf dem Trockenen liegen, sieht man erst einmal, wie groß sie in Wirklichkeit sind.

Diese Schleusen dürften beim Ausbau des Kanals vom Becquey- auf das Penischen (Freycinet)-Maß um 1890 ausgemustert worden sein. Die Schleuse in Montbuoy - man sieht sie auf Bild 3 links liegen - ist heute die mit der größten Hubhöhe des Kanals: 5,12 m. Sehr wahrscheinlich hat sie zwei der alten Schleusen oder auch eine Doppelschleuse ersetzt, wie in Montargis.

:wink: Gernot