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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die Entstehungsgeschichte der Westdeutschen Kanäle



Norbert
08.01.2009, 22:21
Die deutschen Flüsse Rhein, Ems, Weser und Elbe fliessen in Süd - Nordrichtung zur Nordsee. Zwischen Rhein und Weser liegt Westfalen, es hat keinen direkten Wasseranschluss zur Nordsee. Aus diesem Grunde wurde im 15. Jahrhundert der Versuch unternommen, diesen Anschluss durch den Ausbau der Lippe und einem Schifffahrtskanal von Soest nach Hamm herzustellen. Bis zum Jahr 1495 wurde diese Verbindung halb fertiggestellt. Der Weiterbau scheiterte an der politischen Uneinigkeit der verschiedenen Landesteile. Das waren jedoch noch nicht alle Schwierigkeiten, denn auf der Lippe gab es Sandbänke, Steinklippen, Mühlen und Zölle, welche die Schifffahrt behinderten. Aus einer Zollrechnung des Jahres 1557 geht hervor, dass die weitaus meisten Lippeschiffe, die vor Dorsten verzollt wurden, mit Holz beladen waren, daneben werden auch Schiffe mit Heringen und mit Baumberger Steinen genannt.

Um 1820 begann man nochmals die „Lippe“ schiffbar zu machen. Es wurden zwischen Vogelsang bei Datteln WDK km 56 und Lippstadt 12 Schleusen errichtet, um die Mühlenwehre zu umgehen. Die Schleusen hatten folgende Abmessungen 34,5m x 6,4m von Vogelsang bis Hamm und 25 x 4,7m Hamm bis Lippstadt. Diese Schleusen ermöglichten es, die Lippe mit Schiffen von 70 bis 150 Tonnen zu befahren. Der Handel kam sehr schnell zur Blüte. Auf diesen Schiffen wurde das Salz aus der Königlichen Saline in Unna-Königsborn, Kolonialwaren, Holz, Getreide und auch schon Steinkohle befördert. Die Lippeschifffahrt erlebte in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ihren Niedergang. Dieser wurde beschleunigt durch das Aufkommen der Eisenbahn und die Versandung der Lippemündung.

Im Jahr 1724 wurde an anderer Stelle in Westfalen der Anschluss an einen Seehafen gesucht. Denn in diesem Jahr wurde mit dem Bau des „Max Clemens Kanal“ (benannt nach seinem Erbauer dem Fürstbischoff Clemens August von Bayern) von Münster zur „Vechte“ bei Nordhorn begonnen. Jedoch wurde der Kanal nur auf einer Länge von 36 km bis Wettringen/Maxhafen fertiggestellt. Der Ort liegt an der Bundesstasse 70, etwa 10 Kilometer vor Rheine. Der Kanal hätte noch ca. 45 km weitergebaut werden müssen, um seinen geplanten Endpunkt, den Fluss „Vechte“, zu erreichen und damit die angestrebte Verbindung zu den Holländischen Kanälen herzustellen. Planungsfehler und Geldmangel hatten verhinderten, dass dieses nicht gelang. Trotzdem war über 100 Jahre ein reger Schiffsverkehr, bei dem überwiegen Kolonialwaren und Postsachen transportiert wurden, zu verzeichnen. Im Juni 1840 wurde der Verkauf des Kanals genehmigt.

Zwischen 1776 und 1780 wurde die Ruhr von Ruhrort bis Langschede (Fröndenberg) für Schiffe mit einer Größe von 165 Tonnen ausgebaut. Treibende Kraft war Preußen, denn in seiner Provinz Westfalen gab es nicht nur Saline in Königsborn sondern einen besonderen Brennstoff, die Kohle. Sie wurde etwa seit dem Beginn des 17. Jahrhunderts im Ruhrgebiet abgebaut und diente den Einwohnern als Brennstoff. Einige Jahre später wurde sie dann per Schiff Richtung Ruhrort abtransportiert. Es gab allerdings ein Problem, die Ruhr war mehrfach bis hinunter nach Duisburg aufgestaut. Mit diesen Stauwehren wurden Wassermühlen angetrieben, Mühlenrechte waren vom Landesherren verbrieft. Da es also noch keine Schleusen auf der Ruhr gab und die Wehre von den Schiffen nicht passiert werden konnten, musste die Kohleladung ausgeladen und um das Wehr herumgetragen werden. Dort wartete schon das nächste Schiff ,welches die Ladung zum nächsten Wehr weiterbeförderte, dort ging die ganze Prozedur dann von vorne los. Es war an der Tagesordnung, dass eine Ladung mehrfach bis Ruhrort umgeladen werden musste.
Dies war wenig förderlich für die Qualität der Waren. Die zu Beginn angeführten Fahrzeuge, genannt Ruhraaken, transportierten Steinkohle und Holz flussabwärts bis nach Ruhrort. Einige Ruhraaken befuhren auch den Rhein. Gütertransporte auf der Ruhr gibt es seit 1890 nicht mehr, das Aufkommen der Eisenbahn sowie die Nordwanderung der Kohlenzechen waren der Auslöser hierbei. Jedoch Personen und Sportschifffahrt wird auch heute noch auf der Ruhr noch betrieben.

Ebenfalls in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde von der Regierung in Hannover der „Hanekenkanal“ von Meppen nach Hanekenfähr erbaut, dem sich oberhalb mit vier Schleusen die Emskanalisierung bis Rheine und zur Grenze nach Westfalen anschloss. Das Anschlussstück von der Landesgrenze bis nach Greven auf preußischem Gebiet wurde 1841 eingeweiht. Im Jahre 1870 wurden dann die linksemsischen Kanäle mit Verbindung zur Ems fertiggestellt, der Ems-Vechte Kanal von Hanekenfähr nach Nordhorn, der Rutenbrockkanal von Staatskanal nach Haren sowie der Nord Süd Kanal, der Beide verbindet und der Anschluss an die holländischen Kanäle ist. Alle diese Versuche waren nur bedingt tauglich.

Im April 1856 wurde in Dortmund der Kanalverein gegründet, Ziel dieses Vereins war die Förderung eines leistungsfähigen Kanalnetzes. Dieses sollte nicht nur den Dortmunderraum mit den Nordseehäfen verbinden, sondern man hatte schon eine Verbindung vom Rhein über das Ruhrgebiet bis zur Elbe und weiter bis zu den Ostelbischen Kanälen ins Auge gefasst. Das Projekt wurde von dem Westfälischen Provinziallandtag unterstützt. Durch die Kriege von 1864 und 1866 sowie dem Krieg von 1870/71, an denen Preußen beteiligt war, geriet es fast in Vergessenheit.

Erst im Jahre 1877 wurde mit einer Denkschrift von der Preußischen Staatsregierung an den Landtag das Thema wieder behandelt. Nach der Reichsgründung von 1871 hatte sich in der Kohle- und Stahlindustrie einiges verändert. Dieser Industriezweig war leistungsfähiger geworden und benötigte immer mehr Eisenerz aus Schweden. Kohle war vorhanden, Erz aber musste von Schweden her kommend vom Seedampfer auf die Eisenbahn umgeladen werden. Da die Eisenbahn nicht immer in der Lage war, den Bedarf an Eisenerz zu decken, drängte die im Dortmunder Raum ansässige Industrie zum Bau eines Kanals zur Nordsee hin. Man erhoffte sich von diesem Kanal günstigere Erzeinfuhren und besseren Absatz für die heimische Steinkohle. Jetzt formierten sich auch die Kanalgegner. Es waren Ostelbische Großagrarier, die verhindern wollten, dass über den Kanal billigere Agrarprodukte in ihre Region kamen. Ihnen zur Seite standen die schlesische Industrie sowie die Saarwirtschaft. Beide fürchteten die Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet. Mit von der Partie war auch die westfälische Landwirtschaft, diese rechnete damit, dass sie für den Bau des Kanals Land an die Regierung abtreten musste.
Die preußische Staatsregierung hatte natürlich auch ihre Interessen. Es sollte der Zwischenhandel über die Niederlande unterbunden werden. Ebenso wollte man weg von den Kohleimporten aus England, da im Ruhrgebiet genug Kohle vorhanden war, die sich dazu eignete, in den Kesseln der in Wilhelmshaven stationierte Kaiserliche Flotte verbrannt zu werden. Letztlich waren diese Punkte für die preußische Regierung ausschlaggebend.
Nach heftiger Diskussion wurde am 9. Juli 1886 vom Preußischen Landtag das Gesetz „ Zur Ausführung eines Schifffahrtskanals, welcher bestimmt ist, den Rhein mit der Ems ... und der Elbe zu verbinden“ verabschiedet. Dies war die Geburtsstunde des Westdeutschen Kanalnetzes. Mit dem Bau des Dortmund-Ems Kanals (DEK) wurde bereits 1891 in der Nähe von Varloh begonnen. Nach siebenjähriger Bauzeit wurde diese 225 Kilometer lange und mit 16 Schleusenstufen und einem Schiffshebewerk ausgerüstete Wasserstrasse am 11. August 1899 eröffnet.

Weitere Kanäle folgten:
1914 Rhein-Herne Kanal, Länge 45,5 km, Hub 36 m, 7 Schleusenstufen mit 2 Kammern, außer Schleuse Meiderich,

1914 Datteln-Hamm Kanal bis Schleuse Hamm, 1932 bis Uentrop - Schmehausen Länge 47 km, Hub 6,5 m, 2 Schleusenstufen mit 1 Kammern.

1915 Mittellandkanal vom Abzweig DEK in Bergeshövede bis Minden, 1916 bis Hannover und
1938 bis Rothensee bei Magdeburg. Länge 325 km, Schleusenstufen 2 mit je 2 Kammern sowie ein Hebewerk. An der Schleuse Anderten beträgt der Hub 14,7 m in die Scheitelhaltung von West nach Ost, 9 m Hub hat die Schleuse Sülfeld von Ost nach West und das Schiffshebewerk Rothensee als Elbabstieg hat einen Hub von 18 m. Zum MLK gehören 4 Stichkanäle mit insgesamt 7 Schleusen sowie 3 Schleusen als abstieg zur Weser in Minden.

1927 Ruhrwasserstraße, Länge 12 km bis Mülheim, 2 Schleusenstufen mit je 1 Kammer, Hub 11 m. Mit einem Durchstich zum RHK oberhalb der Ruhrschleuse Duisburg.

1931 Wesel-Datteln Kanal Länge 60,5 km, Hub 41 m, 6 Schleusenstufen mit je 2 Kammern.

An der Planung und Bauausführung des Rhein Elbe Kanals beteiligt war der Wasserbauingenieur „Leo Sympher“ (1854 – 1922). Dieser wurde später preußischer Regierungs – und Amtsrat. Er war nicht nur am Bau des D E K beteiligt, sondern durch seine weitsichtige Planung legte er den Grundstein für das Westdeutsche Kanalnetz. In Minden, an der Kreuzung der Weser mit dem Mittellandkanal, hat man diesem großen deutschen Wasserbauer 1928 ein Denkmal gesetzt.

Norbert Hüls 25.11.2001