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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Dämsel



Norbert
03.06.2008, 22:27
Hallo Binnenschiffsfreunde,

wer von euch kennt noch den Begriff Dämsel (ich hoffe das ist richtig geschrieben)

Gruß Norbert

Ernst
03.06.2008, 23:09
Hallo Norbert
ein Dämsel ist eine behelfsmäßige Abdichtung eines Lecks im Schiffsrumpf. Als Dichtmaterial wurde früher (als die Schweine noch dick und fett waren) eine Speckseite genommen. Die wurde dann mit einem Brett (Straudill) und Keilen zwichen den Spannten verkeilt. So konnte das Schiff bis zur nächsten Werft gefahren werden.

Gruß Ernst

03.06.2008, 23:31
Hallo Binnenschiffsfreunde,

da gibt es auch eine schöne Geschichte von Karin Scheubner!

Hallo,

Speck – mehr als nur ein Nahrungsmittel ?!?
Meine erste Reise, nachdem ich geheiratet hatte, ging mit Gips von Marktbreit nach Castrop-Rauxel.
Wir waren in Rauxel fast leer, als mein Mann in die Wohnung kam und mir erklärte, wir hätten ein Leck im Laderaum und ich müsse schnell zum Metzger, um fetten Speck zum Abdichten des Loches zu kaufen. Nachdem ich gehört hatte, dass in der Schifffahrt für „Nichtschiffische“ Mutproben zu bestehen seien – nach dem Beispiel der Handwerkergesellen, die den neuen Lehrling in die Apotheke schicken um „1 kg Owidum“ zu kaufen – dachte ich: nun bin ich dran, mit dem Reinlegen; aber ich bin ja nicht dumm! Speck zum Abdichten! Hat das schon jemand mal gehört? Nicht mit mir! Ich schaute meinen Mann so an: Ganz ernst, kein Grinsen im Gesicht! Er aber drängte, endlich loszugehen; er würde mir später erklären, warum und wieso, und er bräuchte mindestens 3 kg fetten Speck. Wenn’s irgendwie ginge, als ein ganzes Stück.
So zog ich also los, von Zweifeln geplagt, verulkt er mich oder nicht, und fand auch gleich neben der Kirche eine Metzgerei. Ich stellte mich an und überlegte krampfhaft: Sollte ich nur ein bisschen frische Wurst kaufen und das mit dem Speck lieber sein lassen? Das würde mir eh’ keiner glauben und wie sollte ich etwas erklären, was ich selbst nicht wusste?
Nun war ich dran: „ Ich hätte gern ein ganz großes Stück fetten Speck!“ „Wie bitte, ich habe Sie nicht verstanden?“ Also nochmals, aber ein bißchen lauter: „Ich hätte gern ein gaanz großes Stück fetten Speck!“ „Wie groß?“ „So mindestens drei Kilo!“. Die Verkäuferin schaute mich fragend an und verschwand dann hinter einer Türe. Ein paar Minuten später kam sie wieder, mit drei Stücken Speck in den Händen. „Dat sin´ so drei Kilo, reicht dat?“ „Ja, ich glaube schon; aber es sollte eigentlich ein Stück sein.“ Ganz entgeistert fragte sie: „Wofür is´ dat denn?“ Jetzt musste ich es doch sagen: Zum Abdichten eines Loches im Schiffsboden! Hinter mir fingen einige wartende Kunden an zu tuscheln und zu kichern, und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken! Gott sei Dank wollte die Verkäuferin nichts Genaueres wissen. Ich nahm dann, wohl oder übel, die drei Stücke fetten Speck, doch auf dem Rückweg zum Schiff war ich mir sicher: Diesmal hat er mich drangekriegt, 1:0 für ihn! Aber Rache ist süß!
An Bord wurde ich schon sehnsüchtig erwartet. Mein Mann riss mir die Tüte mit dem Speck förmlich aus der Hand – und tatsächlich: Ich schaute ihm zu, wie er das Loch mit Speck abdichtete und mit Holz verkeilte. Nun war alles wieder dicht und wir fuhren noch viele Wochen, bis wir Gelegenheit hatten, an die Werft zu gehen.

Nach Castrop-Rauxel sind wir in den darauf folgenden Jahren öfters gefahren. Ich habe auch noch einige Male in dieser Metzgerei eingekauft. Wenn mich die Verkäuferin sah, lächelte sie mich immer etwas mitleidig an. Das mit dem fetten Speck und dem Loch hat die mir bestimmt nie geglaubt!
Karin Scheubner, MS „JENNY“
Gruß Detlef :Kap:

Ernst
04.06.2008, 01:10
Hallo
dann gab`s noch den "Zement-Dämsel"
Dazu wurde eine größere Menge Zement auf die "Leckasche" geschüttet und auf die nun bekannte Art fixiert.

Gruß Ernst

Norbert
04.06.2008, 12:56
Hallo Freunde,

in meinem Berichtsheft (Bordbuch) aus meiner Lehrzeit 1973 - 76 habe ich noch diese Zeichnung gefunden. Ich habe sie mit Paint ein wenig überarbeitet.
[attachment=0:39t3sbgs]dämsel_1.JPG[/attachment:39t3sbgs]
In diesem Berichtsheft befindet sich auch noch die Zeichnung von einem Leckbolzen, mal schauen was da noch schönes drin ist.

Gruß Norbert

Aldemarin
05.05.2022, 19:49
Ich habe mich mal auf einer Party mit einem Binnenschiffer unterhalten und der erzählte mir, dass manchmal kleinere Löcher am Schiffsrumpf mit Fleisch aus Schweinehälften repariert werden, weil dieses bei Feuchtigkeit aufquellen würde und das Loch abdichten können. Kann man auf diese Weise wirklich eine brauchbare (Not-)Reparatur erreichen?

Rolf Gertsch
05.05.2022, 20:25
Das nennt man " Dämsel setzen".
Man macht das mit einer Speckseite. Ich glaube nicht das dies mit einer Schweinehälfte geht:hupf:

kaos
05.05.2022, 20:27
Ahoi Aldemarin, Ja einstmals wurden Nieten, Nietreihen und Riße mit Schweineschwarten
und Fettrand verspannt mit Holzkeilen angepresst abgedichtet, das war aber eher nur als
Notreparatur für einige Tage so gedacht, das Fettfleisch zersetzt und Vergammelte ja so!

Ich habe da selbst noch so Erlebt und der Geruch steckt noch heute in meiner Nase dazu!

Bei uns kamen mehrere Jahre Kanalschiffe/ Penichen an die so Repariert wurden um soweit
Dicht zu halten das sie die Werft erreichen konnten und den "Geruch" habe ich noch heute in
meiner Nase wenn ich daran Denke wie vergammeltes Schweinefettfleisch das im Wasser dann
verrottet riecht - EKELHAFT schlimmer als Scheixxe oder was man sonst Stinkend nennt dazu!

Gruß kaos
(der sich oft schon mal was aus der alten guten Zeit zurück wünscht - DAS NICHT)

p-m
06.05.2022, 15:16
Hallo zusammen

An Bord von WILLI (https://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?7963-Willi-GMS-07001838) musste gegen Ende 2006 ein Rostloch im Laderaumboden durch das Setzen eines Dämsels behelfsmässig abgedichtet werden. Diese "Aktion" wurde von zwei unserer erfahrenen Schiffsführer durchgeführt, die anderen Vereinsmitglieder schauten staunend zu. Zuerst wurde ein angespitzter Besenstiel in das Rostloch gestossen und zwischen den Spannten um das Rostloch herum eine Holzschalung gebaut. Danach kam eine Schicht schnell anziehender Beton, dann eine Schicht weisser Schweinespeck und zuletzt eine weitere Schicht Beton in die Schalung. Der Dämsel war absolut dicht, bis WILLI für die ordentliche Reparatur am 16. Februar 2007 auf der Helling der Erlenbacher Schiffswerft war.

Leider gibt es vom Setzen des Dämsels keine Bilder; es waren alle zu sehr beschäftigt (mit dem Bauen und Staunen). Es gibt nur ein Foto wie der Dämsel (Spitze des Besenstiels) kurz vor der Reparatur auf der Unterseite ausgesehen hat.

Freundliche Grüsse

Peter

p-m
06.05.2022, 15:20
Hallo zusammen

Das Thema «Dämsel» gibt es bereits im Forum: https://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?690-D%C3%A4m

Vielleicht kann ein(e) Administrator(in) die beiden Themen zusammenfügen.

Freundliche Grüsse

Peter
(https://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?690-D%C3%A4msel)

Nordkap
06.05.2022, 17:44
Moin,
eine Speckseite zum Abdichten eines kleinen Lecks war früher gang und gäbe. Es kam immer wieder mal vor, dass eine Niete herausgesprungen ist. Gerade wenn das Schiff bei hohem Seegang, Schelde usw., schon etwas ins rollen kam. Der Gang zum Metzger war dann sicher. Beim Einkauf sprang natürlich für die Besatzung auch noch ein gutes Stück Fleisch ab.
Die Speckseite wurde, wie schon beschrieben, über dem Loch mit Holz verkeilt. Diese provisorische Abdichtung hielt dann bis zum nächsten Werftaufenthalt.
Wenn kein Metzger in der Nähe war, haben wir auch einen mit Stauferfett gefüllten Putzlappen in ähnlicher Weise auf dem Leck befestigt. Auch diese Konstruktion hielt, sofern sie ordentlich aufgebracht wurde, bis zum nächsten Werftaufenthalt.
Gute Fahrt

Nordkap

mainschnickel
06.05.2022, 18:09
Hallo p-m und andere!
Wer kennt noch die Reparatur mit einem "Fischbolzen"?
Mein Vater hatte (in einem flachen ovalen Pilchards Fischdose, das war aber zufall) folgende Utensilien: eine dünne Schnur etwa 8 m lang (Schiff war 7,70 m breit) beschwert mit einer dünnen Eisenstange, einen Holzpfropfen (wie bei Willy) ein Bolzen, von der Stärke einer Niete (der "Fischbolzen"), oben spitz mit einem Loch durch, eine passende Mutter und eine Gummi oder Lederplatte mit passendem Loch für den Bolzen.
War der Verdacht einer tränenden Niete da, dann wurde die Strau ´rausgenommen, besenrein gemacht und trocken und wenn die leckende Niete nicht sofort erkennbar war, mit dem Hammer abgeklopft bis sie gefunden war. Man konnte das hören! Dann wurde die Niete mit dem Meißel weggeschlagen, den Holzstopfen erstmal rein. Wenn wir von Land aus nicht unter Schiff kamen musste der Nachen ´raus. Die Schnur mit der Eisenstange durch das Loch runtergelassen mit ausreichend Länge. Dann vom Nachen aus mit dem Flierhaken unter dem Schiff die Schnur "fischen", bei Strömung war das oft nicht so einfach! Hatte man die Schnur, dann wurde den Bolzen daran befestigt (deswegen das Loch). Dann konnte man im Laderaum ,Holzstopfen raus ,Schnur anziehen bis der Bolzen im Loch war. Dann Bolzen festhalten, Schnur weg, Gummidichtung und Mutter darauf und Bolzen mit einem Stift durch das Loch im Bolzen festhalten. Mutter festziehen und fertig! Das hielt dann meistens bis zur nächsten Anlandnahme auf Helling. Meistens wurden dann die "Fischbolzen" von außen verschweisst. Genietet wurde ja nicht mehr.
Gruss Jozef

Navico 2
06.05.2022, 18:17
Hallo Jozef, diese Arbeitsweise kenne ich auch unter den Namen Leckbolzen oder Leckniete.
Gruss Manfred

Nordkap
06.05.2022, 18:17
Hallo Jozef,
das war bei uns einfach der Leckbolzen.

Gruß
Nordkap

mainschnickel
06.05.2022, 18:30
Hallo Manfred und Nordkap
Danke für die Antworten! Bei uns in den Niederlanden sagten wir "visbout", Fischbolzen halt, ich kannte den deutschen Begriff nicht und mein Vater wahrscheinlich auch nicht. Aber den Vorgang, am letzten mal gemacht in 1977, in 1978 wurde unser Schiff verschrottet. Wird heute kaum noch vorkommen, außer vielleicht noch bei Museumsschiffen mit genietetem Boden!
Genauso wie "Persenningen machen" bei klassischen Holzluken, habe ich in 1987 noch gemacht. Wie hieß das auf deutsch?
Gruss Jozef

Handhaspel
06.05.2022, 19:00
Hallo, ihr lieben Leckbeseitiger,

hier ein Tipp zum partiellen Leckbeseitigen zwischen Schiffsbodenspanten.

Leckstellen notdürftig dichten, Holzkasten (Straudielen etc) bauen, Zement besorgen und SODA. Mischen, einfüllen. Erst mit Soda trocknet Zement unter/im Wasser.
Als junger Matrose erlebt, als das GMS den Erpeler Layen (Rh-km 635,5) bergwärts zu nahe kam. Unter Lenzen bei Kripp vor Anker liegend, gelang es nicht unser Leckkleid unter den Ankerketten hindurch unter die Piek und Raum 1 zu bekommen. Während zusätzliche Pumpen eingesetzt waren (Feuerwehr Linz und Sinzig), holten wir bei einer Drogerie so viel wie Vorrätig Soda. Dies hatte der eingetroffene Havarieexperte angeordnet. Nach 2 Tagen Liegezeit war die Stelle gehärtet und auch dicht. Ich habe sogar ein eigenes Foto, wo wir nicht nur deswegen 1952 auf der Berninghaus-Werft in K-Mülheim auf der Helling liegen.

Gruß, Walter

p-m
06.05.2022, 19:41
Hallo zusammen

Das Thema Leckbolzen gibt es im Forum auch schon: https://www.binnenschifferforum.de/showthread.php?689-Leckbolzen

Freundliche Grüsse

Peter

Navico 2
06.05.2022, 21:10
Hallo, ihr Leckexperten.
Einen Leckbolzen einziehen ging ja nur bei Leerschiff oder der Laderaum musste leer sein und die Strau aufnehmend.
Geht heute nicht mehr; denn heute haben die Schiffe alle Eisenstrau oder auch eisernen Boden genannt.
Heute kommt der Taucher und schmiert unter Wasser so ein Kallefit drunter. 6 Stunden liegen bleiben zum durchhärten und weiter geht die Reise.
Wir sind oft 2-3 Monate so gefahren bis zum Werftaufenthalt. Durfte nur die SUK und WSP nicht erfahren.
Gruss Manfred.