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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Flacher Bug



demian
18.08.2016, 11:08
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin Studierender der Universität Bonn und seit ein paar Wochen beschäftigt mich eine Frage. Leider konnte ich die Antwort nicht im Internet ausfindig machen, auch habe ich mich von etwaigen einschlägigen Firmen/Institutionen gewendet allerdings noch keine Antwort erhalten.

Ich weiß, dass dies wahrscheinlich nicht die passende Kategorie ist und wahrscheinlich auch nicht das Forum, vielleicht können Sie mir dennoch aushelfen:
Oft sitze ich in der Bonner Bibliothek mit Blick auf den Rhein und sehe dort viele Güterschiffe die eine flaches Bug haben. Mir scheint dies nicht besonders dynamisch zu sein, da es nicht besonders gut Wasser verdrängt. Allerdings bin ich mir gewiss es gibt eine Antwort darauf, kennen Sie diese?

Mit besten Grüßen
Demian

UGI
18.08.2016, 12:06
Ahoi Demian,

nun dazu müste mal geklärt werden, was Sie unter "flachem Bug" verstehen ?, ich vermute mal das sie damit die breite schräg abfallende Pontonform der Motorschiffe und Schubleichter meinen - im Gegensatz zu den sonst üblicherweise bei Schiffen vorherschenden Spitzbugform ...

Nun diese flache Pontonform stellt, auch wenn es anfänglich schwer verständlich ist, die bessere Schiffsform in der Frage der Ergonomik dar. Anders wie vermutet, wo man davon ausgeht, das ja ein spitzer Bug das Wasser viel besser zerschneiden würde, ist diese Annahme fehlerhaft, denn letztlich müssen sie die Wassermassen vor dem Bug teilen und seitlich am Schiff vorbei leiten (man sieht dabei die Bugwelle und das entstehende Bugwellental seitlich am Schiff bei beladenen Schiffen sehr deutlich), was somit einen erhöhten Energieaufwand zur Folge hat ...

hingegen wird bei pontonähnlichen schrägen Bugfronten das Wasser unter dem Schiff gleitend hindurchgeführt (Schiff ist also aufschwimmend) und hat zum zweiten den Vorteil, das man bei Koppelverbänden durch die breite Aufnahmefläche "kraftschließend" den Verband starr verbinden kann. Dabei wird auch zwischen den Schiffseinheiten an der Verbindungsstelle eine Wasserverwirbelung unterbunden, was hingegen bei Koppelverbänden mit schiebendem Spitzbugschiff auf das geschobenen Schiff (u.a. durch die unterschiedlichen Schiffsformen) stark auftritt und sich ebenfalls negativ auf die aufzuwendende Energieeffizienz auswirkt.

Ich hoffe das ich Ihre Frage korrekt interpretiert habe und ein paar Antworten geben konnte.
Mit maritimen Grüßen / UGI

demian
18.08.2016, 14:01
Ahoi Maritimen,

vielen Dank für diese sehr gute Antwort! Sie beantwortet genau meine Frage - sehr interessant.

Als eine zusätzliche Frage hätte ich noch, wenn die Gewässer tiefer wären hätte dies einen Einfluss auf die Entscheidung der Bugform?

Herzlichen Dank
Demian

Hummel-Ruthof
18.08.2016, 15:19
Guten Tag Demian,
zum Thema "Schiffsform von Schubschiff und -leichter" finden Sie Interessantes in "HANSA", Zentralorgan für Schiffahrt - Schiffbau- Hafen, Heft 39/40, 1960, Seite 1975-80. Adolf Hummel berichtet dort über Erfahrungen mit den beiden ersten deutschen Schubeinheiten "Wasserbüffel" und "Nashorn" verfaßt hat. Eine Kopie des Artikels finden Sie im Ruthof-Archiv des Binnenschiffahrtsmuseum Duisburg.

nikomid
18.08.2016, 16:49
Hallo zusammen,

zunächst mal würde ich zwischen Bugformen mit wirklich flachem Fug (wie bei Schubleichtern) und scheinbar flachen Bugformen mit Schubbühne (oder wie heißt das Teil) und darunter spitzen Bug unterscheiden.

Einfache, nach unten schräg verlaufende Bugformen haben den Vorteil niedriger Herstellungskosten, daher findet man sie überwiegend bei Schubleichtern (die sollen traditionel billig und möglichst Wartungsfrei sein, in Amerika läßt man deswegen sogar die Farbe weg!) und bei Schiffen mit Baujahr zwischen den beiden Ölkrisen....

Wenn ein Schiff im Regelfall immer den gleichen Leichter vor sich herschiebt, dann ist ein senkrecht abgeschnittener Bug beim schiebenden Schiff mit einem senkrecht abgeschnittenen Heck beim geschobenen Leichter natürlich die beste Lösung. Ansonsten findet man diese Bugform kaum noch, selbt bei den Schubleichtern ist heute in der Mitte noch eine Nase hinzugekommen, die vermindert den Wiederstand und erhöht durch die Verdrängung die Zuladung.

Bei niedrigen Wasserständen ist das mit der Verdrängung nach unten so eine Sache, die strömungsgeschwindigkeit am Übergang zum flachen Boden wird hier sehr groß und das Schiff saugt sich am Boden fest.

Abgesehen von den schlechteren Strömungseigenschaften, sieht es auch sehr häßlich aus...

Gruß
Dominik

meise
18.08.2016, 16:59
Das War ja mal eine Super-Antwort, die eine Landratte wie ich
sehr gut versteht, Danke dafür
Hätte ich so nicht gedacht-klingt aber plausiebel
LG Meise

Michael Felten
18.08.2016, 17:47
Hallo Demian

Hier ein Beispiel: Dieses Schiff hat einen einen flachen Bug wie ein Schubleichter.
Das Schiff hat 2 X 1379 PS und ist nur halb so schnell wie ein modernes Schiff mit weniger PS.
Hier sieht man die Bugwelle und das Wellental. Gruß Michael.

Michael Felten
18.08.2016, 18:02
Und hier dieses Schiff hat 1200 PS und ist wesendlich schneller.
Wichtig wenig Bugwelle und kein Wellental.

Allerdings hat das erste Schiff 4 m Tiefgang und der Tanker 2,50 m Tiefgang.

Gruß Michael.

demian
18.08.2016, 20:39
Ich bin wirklich begeistert wie viele auf meine Frage geantwortet haben und mir beim Verstehen geholfen haben!

Ich ziehe meinen Hut
Demian

Gernot Menke
18.08.2016, 20:59
Hallo Michael,

ich weiß nicht ... ich kann mir nicht vorstellen, daß die Erbauer einer Schubleichter-Form wirklich alle zu blöd waren, einen spitzen Kopf zu bauen. Und wenn es DEN einen idealen Kopf gäbe, dann hätten den, davon kann man ausgehen, alle Schiffe!

Es gibt sicherlich unterschiedliche Lösungen, die unterschiedlichen Anforderungen entsprechen - alle mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen, die es je nach geplantem Einsatz eines Schiffs sorgfältig miteinander abzuwägen gilt.

:wink: Gernot

Michael Felten
18.08.2016, 22:43
Hallo Gernot

Schubleichter müssen so gebaut sein, wenn sie einen Spitzen Kopf hätten würden sie bei der fahrt nebeneinandergekoppelt auseinander drücken.
Das würde sehr bremsen, weil das Wasser nicht weck kann.
Ein Schubverband mit drei Leichtern nebeneinander hätte zweimal das Problem. Gruß Michael.

Unregistriert
18.08.2016, 23:19
Hallo,
alles sehr überdacht dargestellt, aber vergesst bitte nicht die Sicherheit des Deckpersonals beim koppeln bei jedem Wetter und Licht. Ich erlebte das Auslegen eines grobmaschigen Netzes zur Absicherung zwischen Schubbootstirne und 2 parallel zu schiebenden Leichtern weil dort ein recht großes Dreieckloch gähnte, trotz Vierkantheck der Leichter.
Mit Grüßen von der Loreley