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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Eiserne Steg



Cuxi
26.07.2018, 11:25
Moin, moin;
um 1900 müsste diese Aufnahme mit der Pionier vor dem Eisernen Steg als Hintergrund entstanden sein.
MfG
Helmut

Gernot Menke
26.07.2018, 13:24
Der Eiserne Steg, der 1869 eingeweiht worden war, wurde im Laufe seiner Geschichte zwei Mal angehoben.

Das erste Mal 1911/1912 um 1,60 m. Bei diesem Umbau wurde zugleich auch die Stabilität des Stegs erhöht. Auf die alten, erhöhten Pfeiler baute man eine neue Stahlkonstruktion. Bei diesem Umbau ließ man die auf dem Foto noch vorhandenen neugotischen Spitztürmchen (Fialen) weg, so daß das Foto aus der Zeit davor stammt. Die Erhöhung der Brücke war durch die bergwärts fortschreitende Stauregelung des Mains notwendig geworden. Sie war 1886 bis Frankfurt fertig geworden, der Westhafen war bald überlastet, 1902 wurde schon der Offenbacher Hafen eröffnet und das Frankfurter Osthafenprojekt bahnte sich an. Während sich einerseits die Durchfahrtshöhe der Brücke (bezogen auf MW) von 6,20 m über dem frei fließenden Main auf nunmehr 5,50 m über Normalstau verringert hatte, fuhren andererseits nun auch die größeren Rheinschiffe bis Frankfurt, die leer, aber oben alles abgebaut auf bis zu 6,40 m Höhe kamen. Dann fehlten also 90 cm Höhe und bei HSW noch viel mehr. Ballastnehmerei war in Zeiten von Holzstrau und schwachen Pumpen mühsam und zeitaufwendig.

Bei Kriegsende mußte natürlich auch der Eiserne Steg dran glauben. Bei seinem Wiederaufbau tat sich im Prinzip aber nichts Neues - erst das Projekt des Main-Donau-Kanals und die inzwischen weiter zugenommenen Schiffsgrößen führten dazu, daß man den Eisernen Steg 1969 bei einem sich damals mit der WSV ergebenden Interessenausgleich nochmalig mittels hydraulischer Pressen um 42 cm anhob - so steht er bis heute. Die Unterkante liegt also heute 2,02 m höher als auf dem Foto.

Wenn man die genauen Höhenangaben versucht, nachzurechnen, passen die alten Werte nicht ganz mit den heutigen Angaben zusammen. Das liegt sicher daran, daß die fünf alten Schleusen bis Frankfurt durch die heutigen drei ersetzt wurden und auch der HSW ist möglicherweise ein anderer.

:wink: Gernot

Gerhard
26.07.2018, 14:07
Hallo
Mir wurde als Schmelzer erzählt, das der Steg nach dem Krieg erneuert wurde........ Der Grund. ..der alte Steg hatte einen Holzwurm.:pfeif::pfeif::pfeif:

Gruß Gerhard

Gernot Menke
26.07.2018, 14:53
Der Schmelzer zwischen Gangbordhobel und Holzwürmern ... :tongue2:

Im Hintergrund des Fotos ist übrigens ein Raddampfer an der Kaimauer zu sehen; ich werde mal etwas herumsuchen, vielleicht habe ich dazu sogar nähere Angaben. Der PIONIER aus Nierstein ist offenbar ein Oldie, inzwischen eher klein für ein Rheinschiff und noch aus Holz. Er scheint Sand nach Frankfurt zu transportieren, wenn man sich die Kaimauer betrachtet. Das war offensichtlich in dieser fortschrittseuphorischen Zeit nicht anders als heute - nur daß man den Sand wohl noch in der Niersteiner Gegend fand und ihn noch nicht vom Oberrhein holen mußte. Wenn das Schiff zu klein geworden ist, sucht man sich als Sandfahrer eine Nische - offenbar auch damals schon. Während das kleinere Schiff auf der Wasserseite noch seinen Treidelmast besitzt, ist der beim PIONIER bereits einem leichter zu händelnden Mast gewichen, mit dem sicher nicht mehr getreidelt wird. Die Leute sind offenbar gerade bei einer Tätigkeit, von der man nicht weiß, ob sie als angenehm oder unangenehm empfunden wurde: beim Warten auf das Boot.

Noch einmal zu den Brückenhöhen. Erstaunlich zunächst die recht große Differenz von immerhin 9 cm zwischen der heutigen Angabe (bei elwis) der Durchfahrtshöhe über HSW von 6,50 m und der Angabe in meinem WESKA von 1984 von 6,41m über dem HSW. Vielleicht hat man den Stau in Griesheim um dieses Maß abgesenkt, um mehr Durchfahrtshöhe zu bekommen und dafür ggf. die Sohle etwas vertieft - aber das ist nur eine Vermutung von mir. Möglich auch, daß es eine Leitung unter dem Eisernen Steg gab, die man nach 1984 entfernte, um diese 9 cm zu gewinnen. An so viel Meßungenauigkeit glaube ich nicht.

Wenn der Eiserne Steg also vor 1911 um 2,02 m tiefer lag als heute, dann würde die Durchfahrtshöhe bezogen auf den heutigen HSW also (6,50-2,02) 4,48 m betragen. Um vom HSW auf MW zu kommen, muß man zu dieser Durchfahrtshöhe 1,94 m hinzuaddieren. Diese Differenz zwischen MW und HSW hat sich gegenüber 1911, als man die erste Brückenerhöhung plante, fast nicht (damals 194 cm, heute beträgt die Differenz am Pegel Frankfurt 193 cm) verändert. Demnach würde die Durchfahrtshöhe zwischen der einstigen, noch nicht angehobenen Brücke bei Normalstau (4,48+1,93 oder 1,94) 6,41 oder 6,42 m betragen haben. Sie betrug aber nur 5,50 m, also 91 oder 92 cm weniger.

Ich schließe daraus, daß das OW der alten Schleuse Niederrad um eben diese gut 90 cm höher lag als das heutige OW Griesheim. Das alte Mittelwasser, also vor der Stauregelung des Mains, hatte vor 1886 also um 70 cm unter dem OW der Staustufe Niederrad gelegen und damit 20 cm über dem heutigen OW von Griesheim.

Und der Holzwurm beißt das dann einfach alles durch! Gerhard, Gerhard :ouh::pfeif:

:wink: Gernot

Gerhard
26.07.2018, 16:43
Hallo Gernot,
das ist der Vorteil wenn mann den :captain: gut kennt

Gruß Gerhard

Gernot Menke
26.07.2018, 19:39
Na also, wer sagts denn, eine anständige Unordnung ist eben besser als eine unanständige Ordnung - Hauptsache man weiß, wo man graben muß. Ich habe soweit gefunden, was ich suchte.

Bei dem Raddampfer im Hintergrund könnte es sich um das Fahrgastschiff SCHWANHEIM der "Schwanheimer Dampferflotille" (ein Name nach der Zeitmode) handeln. Natürlich ist das Schiff zu weit weg, um sicher zu sein, aber der genannte Dampfer lag öfter dort und von den Konturen her könnte es gut hinkommen.

Man muß einmal versuchen, sich bei dem Bild in # 1 die Geräuschkulisse vorzustellen. Heute: ein beständiges Rauschen, in dem vordergründig das eher häufige Martinshorn (irgendwo ist immer was los) zu hören ist und im Hintergrund Flugzeuggeräusche. Im Hintergrund deswegen, weil das Rauschen des Autoverkehrs einfach alles übertönt. Motorräder der aufheulenden oder der satt knatternden Sorte und das Poltern leerer LKW-Anhänger sind auch so ein Geräuschklassiker dieser Komposition.
Und dann das alte Foto: was war da zu hören?? Es muß schön gewesen sein, eine Atmosphäre, die heute regelrecht überdeckt und betäubt ist durch das fast schon für selbstverständlich gehaltene Hintergrundrauschen, so wie wir das von der optischen Lichtverschmutzung her auch kennen. "Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir" erregten die Bewunderung und Ehrfurcht von Immanuel Kant. Heutzutage müßte er vielleicht sagen: "Der Disco-Laser und die Straßenbeleuchtung über mir, und die Geiz-ist-geil-Mentalität in mir" - nur würde beides wahrscheinlich weder Ehrfurcht, noch Bewunderung erregen.

Was also war zu hören? Ich habe in meiner Sturm- und Drangzeit mal mit einem Schulkumpel eine Motorrad-Tour (aha! Krach in der Wüste!!) durch die Sahara gemacht, da hatte man nachts den bestirnten Himmel in voller Pracht über sich und das Nichts war zu hören: einzelne rollende Kiesel selbst weiter weg, der eigene Atem und das Blut in den Ohren. Das war`s und man hat auch nichts vermißt. So ruhig war es auf dem Foto sicherlich nicht. Man wird auch vom anderen Ufer Rufe, Gelächter, Pfiffe oder Hämmern und Hundegebell gehört haben, vielleicht auch hier und da mal einen Hahn, etwas Geplätscher vom Main, Unterhaltungen von nicht so weit weg, und natürlich Pferdegetrappel und die Geräusche von Karren. Mehr nicht und dieser Punkt war, auch wenn sonst eine Menge gegenüber 1900 besser geworden ist, sehr viel schöner als heute.

Zum PIONIER ist mir auch noch etwas aufgefallen: sind die Pumpenkästen nicht herrlich? Sie werden auf einem Holzschiff ja auch gebraucht, zumal auf einem offenen.

Und natürlich die Brücke: man sieht auf dem aus den 1980ern stammenden Vergleichsfoto (hinter dem linken Brückenpfeiler noch die VATERLAND), wie sie auf den alten Pfeilern regelrecht hochgebockt wurde. Und man vergleiche mal beim viereckigen Rententurm (1455 gebaut zur Erhebung von Schiffahrtsabgaben, der Turm gehörte zur Stadtbefestigung und stand am Eingang der Stadt vom Main aus. Das Geländeniveau am Turm lag vor dem Bau der Kaimauern im 19. Jahrhundert drei Meter tiefer und der Turm wirkte entsprechend schlanker. Dort ging es auch, so entnehme ich es jedenfalls einem Buch, runter zur Furt durch den Main), auf welcher Fensterhöhe der alte und der heutige Eiserne Steg liegt! Das Bild aus #1 habe ich zur leichteren Vergleichsmöglichkeit hier noch einmal dazugestellt.

Das um 1900 höhere Mainniveau war mir bisher nicht bewußt gewesen - aber ich finde, anhand des Pionier im Vordergrund kann man es auch sehen.

:wink: Gernot

PS: Mehr fällt mir zu dem Foto nicht ein. :lool: