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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : 09 / Die Entstehung der französischen Rheinflotte nach 1919 - Teil 2 - Reedereien



Muranfan
10.10.2018, 22:26
Die Entstehung der französischen Rheinflotte aufgrund der Abgaben nach dem Versailler Vertrag nach 1919 (Teil 2: Die Reedereien)

Fortsetzung von Teil 1 => siehe unter 08 / Die Entstehung der französischen Rheinflotte nach 1919 - Teil 1 - im gleichen Thread

2.) Gründung von Reedereien

Auf Veranlassung des Ministeriums für öffentliche Bauten wurde bereits im Jahr 1912 das "Office National de la Navigation" gegründet. Die Abkürzung war O.N.N., zu deutsch "Französisches Nationales Schiffahrtsamt".

Diese Gründung war somit, entgegen mancherorts zu lesender Aussagen, keine Folge des I. Weltkriegs (1914-1918). Dieses Aufsichtsamt für die Binnenschiffahrt bestand bis zum Jahre 1991 und ging dann in der Verwaltung der französischen Wasserstraßen "VNF" (Voies navigables de France) auf.
Zusatzinfo: Das O.N.N gründete 1920 auch eine französische Donaureederei S.N.D., ab 1930 bekannt als SFND (Société Française de Navigation Danubienne).

Das O.N.N. war, wie in Kap. 1.6 erläutert, der Empfänger der abgegebenen deutschen Schiffe, welche an die neugegründeten Strasbourger Reedereien verteilt wurden. Im Prinzip wurden 3 "Arten" von Reedereien aufgerichtet:

1.) Behördliche Reedereien für die Unterhaltung des Rheins und des Hafens (1-2)
2.) Staatliche Reedereien für die Schlepper (3-5)
3.) Private Reedereien für die Befrachtung (6-11) - sogen. "Kahnreedereien"

Anmerkung: Die angeführten Nummern beziehen sich auf die Vorstellung im o.g. Artikel von Gaston Haelling.
Die Schlepper wurden zunächst an die SENR bzw. an die SFRR abgetreten. Die SENR übergab die Schlepper dann der CGNR nach deren Gründung 1924.
Die Kähne wurden an die Kahnreedereien verkauft.
Die Kähne aus der Abgabe nach §6 wurden zunächst an die Kahnreedereien verpachtet.


Zunächst betrachten wir die 2 behördlichen "Reedereien":

2.1) Administration des Ponts et Chaussées (1)

Zur Unterhaltung des elsässischen Rheins entstand unter der Regie der frz. Brücken- und Straßenbauverwaltung in Strasbourg eine Niederlassung für die wasserbaulichen Arbeiten. Dampfboote führten im Kamin die Nationalflagge Frankreichs, die Trikolore (siehe Foto Anlage 1).


2.2) Administration du Port municipal (2)

Diese städtische Verwaltung ist zuständig für den Hafen Strasbourg, deshalb tragen die Schiffe als Kaminsignal das Strasbourger Stadtwappen (siehe Foto Anlage 2).

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Es folgt nun die Vorstellung der Reedereien für die Schleppboote.

Bereits im Jahr 1919 rief der Staat (durch das O.N.N.) die "Société d`Etudes pour la Navigation du Rhin" (SENR) / Paris (4), ins Leben. Die ursprüngliche Aufgabe der Studien-Gesellschaft ergibt sich aus ihrem Namen: Untersuchung aller die Rheinschiffahrt betreffenden Fragen. Ihr wurden darüber hinaus die Verwaltung und Ausnutzung des von Deutschland abgetretenen schwimmenden und festen Materials übertragen, sofern dies nicht an andere Unternehmen vergeben wurde. In erster Linie handelte es sich also um den Betrieb der Schlepper und der Landanlagen. Weiter wurde die endgültige Organisation einer Reederei für den Betrieb der Schlepper erarbeitet (die zweckmäßigerweise für alle Kahnreedereien in einer Hand bleiben sollten; somit konnten die Schlepper optimal eingesetzt werden.). Als nächstes wurde dann die SFRR (5) im Jahre 1921 gegründet für den Schleppbetrieb von der See bis nach Duisburg. Daher wurden dieser Reederei nur Schraubenboote zugewiesen. Für den Betrieb der Schlepper von Duisburg bis zum Elsass wurde nach umfangreichen Vorarbeiten erst 1924 die CGNR (3) gegründet.


2.3) Compagnie Générale pour la Navigation du Rhin (3) - CGNR -

Am 27. Juni 1924 fand die konstituierende Versammlung der CGNR statt (La Navigation du Rhin Heft 10 vom 10.08.1924). Dieses Strasbourger Unternehmen hatte ein Grundkapital von 15 Mio. Francs. 35% der Aktien hielt das O.N.N. und konnte damit alle wesentlichen Entscheidungen beeinflussen, da solche nur mit 2/3-Mehrheit gefällt werden durften. Diese Reederei erhielt sämtliche Räderboote und einige Schraubenboote.
Als erster Präsident wurde Monsieur Fernand Herrenschmidt gewählt, "Vice-président" wurde M. Jean Millot. Nach beiden wurden später Motorschlepper benannt.

Im Heft 14 vom 10.12.1924 der Zeitschrift "La Navigation du Rhin" ist zum erstenmal auf der Rückseite eine Werbung der CGNR abgedruckt, interessanterweise aber noch mit der Trikolore im Kamin! Erst ab Herbst 1924 wurde endgültig das bekannte Kaminsignal der CGNR eingeführt und an den Kaminen angebracht (siehe Foto Anlage 3).

Die CGNR wurde sicher zur bekanntesten frz. Reederei und betrieb die meisten Räderboote aller Rheinreedereien (insgesamt 28 Stück, wovon aber 3, darunter das einzige Heckradboot, bereits 1924 wieder abgegeben wurden => siehe Teil 1 dieses Beitrages).
Die CGNR fusionierte am 21.10.1935 mit der SFRR (Übernahme der Aktienmehrheit), daher gab es seitdem nur noch eine französische Reederei, die Schlepper (und ab 1957 Schubboote) einsetzte.


2.4) Société d`Etudes pour la Navigation du Rhin (4) - SENR -

Die bereits oben erwähnte SENR mit Sitz in Paris hatte ein Stammkapital von 150.000 Francs. Die nach Art. 357 VV abgegebenen Boote wurden vom O.N.N. dieser Gesellschaft zum Betrieb übergeben. Die Schlepper erhielten als Kaminsignal die Trikolore, siehe Foto Anlage 4.

Die SENR gab den Räderbooten folgende Namen großer elsäss. Städte:
Strasbourg I bis VI und
Mulhouse I bis V

Die Schraubenboote bekamen bei der SENR folgende Namen elsäss. Ortschaften:
Lauterbourg 1 bis 3
Chalampé 1 bis 2
Colmar 1 bis 5
Huningue 1 bis 2

Diese Namen wurden alle nur kurzzeitig verwendet; sie finden sich nicht im Rheinschiffsregister.

Mit der Übergabe der Schiffe sowie der Landanlagen an die CGNR (sowie an die SFRR) konnte man sich wieder den ursprünglichen, strategischen Aufgaben widmen. Bereits am 03. Juni 1927 wurde allerdings auf einer außerordentlichen Versammlung beschlossen, die Gesellschaft zum 06.06.27 aufzulösen.


2.5) Société Française de Remorquage sur le Rhin (5) - SFRR -

Die SFRR mit Sitz in Rotterdam wurde am 08. Februar 1921 mit einem Stammkapital von 2.000.000 Francs gegründet. Diese Reederei für den Schleppdienst von der See zur Ruhr erhielt vom O.N.N. zunächst 11 Schlepper "type hollandais" und 7 Schlepper "type tank" (La Navigation du Rhin Heft Nr.1, vom 10.01.1925).
Napp-Zinn gibt dagegen an, das die SFRR 12 Schlepper (ursprünglich für die Seine gebaut) sowie 6 in Holland erstellte neue Boote zum Betrieb in Miete erhielt. Gemäß Rheinschiffsregister 1930 fuhren alle 16 der für die Seine gebauten und an den Rhein verbrachten Dampfschraubenboote bei der SFRR sowie die 11 in Holland gebauten und vom O.N.N. um 1916 dort gekauften Boote, zusammen also 27 Schlepper im Jahr 1930.

Die SFRR wechselte bereits 1928 ihren Sitz von Rotterdam nach Strasbourg, Präsident war (in Personalunion mit der CGNR!) Monsieur F. Herrenschmidt.

Am 21. Oktober 1935 erfolgte die Fusion mit der CGNR (Übernahme der Aktienmehrheit; La Navigation du Rhin Heft Nr. 11 November 1935, Seite 364), so dass fortan nur noch eine französische Reederei (die CGNR) über die Schlepper verfügte.
Auch im Kaminsignal der SFRR fand sich die Trikolore (siehe Foto Anlage 5), die wahrscheinlich bis zur Fusion mit der CGNR an den Kaminen der Dampfschraubenboote blieb. Erst dann wurde wohl das bekannte Signal der CGNR angebracht. Zumindest zeigen Aufnahmen von Dampfbooten 1929 im Eis bei Emmerich noch immer das Kaminsignal mit der Trikolore.

RHEA (1925 - 2004)?

Diese Firma gibt noch Rätsel auf. Sie wurde wohl mit maßgeblichem französischen Kapital 1925 in Rotterdam gegründet. Nach Angaben von Monsieur Jean Paul Huchet (1975 - 1992 Geschäftsführer von RHEA) war das Ziel, als Reaktion auf den deutschen passiven Widerstand, in Dordrecht eine Basis zu schaffen, um die von Deutschland abgetretenen Boote zu betreiben und um Personal für diese Flotte zu rekrutieren.
Nach dem II. Weltkrieg fuhren noch mind. 27 französische Dampfboote (ohne Nachkriegsneubauten) in der Flotte RHEA auf dem holländischen Rhein, welche naturgemäß nur sehr selten, wenn überhaupt, bis nach Strasbourg gelangten. Im Rheinschiffsregister wurden sämtliche dieser Boote allerdings unter dem Eigentümer O.N.N. geführt. Eine eigene Flagge führte RHEA nach Rückfrage bei Monsieur Huchet nicht. Vermutlich 2004 wurde die Firma aufgelöst. Der Rheinschiffsexperte Adalbert Nieser erinnert sich aus seiner Fahrenszeit an ein großes Bürogebäude in Rotterdam mit der Aufschrift RHEA. Noch in jüngster Zeit fuhren Schubleichter mit der Bezeichnung RHEA + Nummer.

Weitere Informationen zu RHEA wären hochwillkommen, insbesondere, ob und welche Verbindungen es zwischen der SFRR und RHEA gab. War RHEA möglicherweise eine Art Nachfolgefirma der SFRR, die im Auftrag der CGNR das niederländische Personal verwaltete?

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Als dritter "Reederei-Typ" wurden, da für die Verwendung der Kähne andere Gesichtspunkte maßgebend waren, mehrere, mehr oder weniger von Privaten getragene Organisationen gegründet. Diese konnten "die Kräfte des freien Wettbewerbs auslösen." (La Navigation du Rhin / Gaston Haelling a.a.O., Seite 170). Die Kahnreedereien bedienten sich der unter starkem staatlichem Einfluss stehenden Monopolgesellschaften (SFRR und CGNR) zur Verschleppung.
Ende 1924 bestanden bereits 5 solcher Reedereien, 1935 waren es 8 Reedereien, welche verschiedene kommerzielle Schwerpunkte hatten. Alle Angaben aus der Zeitschrift La Navigation du Rhin.

Diese Reedereien werden hier nur kurz vorgestellt:

2.6) Comptoir Rhénan de Transports fluviaux (6) COMPTOIR

Gegründet: 1923
Sitz: Strasbourg / Paris
Kapital: 3 Mio. Francs
Kähne: 22
Hauptgeschäft: Kohle


2.7) Le Rhin (7)

Gegründet: 1921
Sitz: Strasbourg
Kapital: 10 Mio. Francs
Kähne: 66
Hauptgeschäft: Kohle


2.8) Société Française de Navigation Rhénane (8) SFNR

Gegründet: 1921
Sitz: Strasbourg / Paris
Kapital: 10 Mio. Francs
Kähne: 70
Hauptgeschäft: Kohle


2.9) Société Alsacienne de Navigation Rhénane (9) SANARA

Gegründet: 1920
Sitz: Strasbourg / Paris
Kapital: 5,2 Mio. Francs
Kähne: 75 (1935: 74 Sanara-Kähne)
Hauptgeschäft: Kanalschiffahrt Strasbourg - Basel


2.10) Société Franco-Suisse de Navigation (10)

Gegründet: 1923
Sitz: Strasbourg
Kapital: 250.000 Francs
Kähne: 43
Hauptgeschäft: Schiffahrt Strasbourg - Basel


2.11) Compagnie de Transports Rhénans (11) CTR

Gegründet: 1922
Sitz: Strasbourg
Kapital: 600.000 Francs
Kähne: 5 Tankkähne (1935: 8)
Hauptgeschäft: Beförderung flüssiger Stoffe


2.12) Armement Seegmuller S. A. (12)

Gegründet: vor 1935
Sitz: Strasbourg
Kapital: unbekannt
Kähne: 7
Hauptgeschäft: unbekannt


2.13) Lloyd Rhénane (13)

Gegründet: 1926
Sitz: Strasbourg
Kapital: unbekannt
Kähne: 19
Hauptgeschäft: unbekannt


2.14) Ausblick auf die weitere Entwicklung der französischen Reedereien

1945: CNFR
Général de Gaulle konstituierte 1945 die "Communauté de Navigation Française Rhénane" (CNFR). Dieser "Gemeinschaft" unterstanden fortan die CGNR sowie 9 Kahnreedereien. Ziel war wohl die zentrale staatliche Lenkung und die Vermeidung von Konkurrenz beim beginnenden Wiederaufbau.
Im Jahre 1957 wurde nach umfangreichen Voruntersuchungen (u. A. Besuche in den USA) erstmals die Schubschiffahrt auf dem Rhein erprobt. Hierzu wurde ein herkömmlicher Motorschlepper provisorisch zum Schieben umgebaut.

1970: CFNR:
Im Jahre 1970 wurde die "Gemeinschaft " umgewandelt in ein Unternehmen mit der Bezeichnung "Compagnie Française de Navigation Rhénane" (CFNR). Dieses Unternehmen übernahm die Fortführung der verschiedenen frz. Reedereien. Offiziell gegründet wurde die CFNR am 17. Dezember 1969 in Strasbourg.

1987: Fusion von CGNR und CFNR
Am 29.12.1987 fusionieren CGNR und CFNR (www.frenchtugs.free.fr) und firmieren fortan unter CFNR

1996: Privatisierung der CFNR

2015: Verkauf der CFNR an Rhenus

Dies ist eine bemerkenswerte Entwicklung: Wurde 1921 die Übernahme von Fendel durch Frankreich angestrebt, so übernahm im Jahr 2015 die Nachfolgefirma von Fendel die Nachfolgefirmen der französischen Reedereien.

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Aufgrund der Größe dieses Beitrages musste dieser in 2 Teilen ins Forum eingestellt werden.

Über Korrekturen, Ergänzungen und Hinweise würde ich mich freuen, damit dieses interessante Kapitel der Rheinschiffahrt sachlich und historisch möglichst korrekt für Alle zugänglich ist.

Beste Grüße von der Donau
Muranfan :wink:

kgvm
26.10.2018, 17:17
Erneut: super.
Die Schornsteine der Administration des Ponts et Chaussées sahen allerdings etwas abweichend aus:
http://vagus-vagrant.fr/forum/viewtopic.php?f=3071&t=19618
Schöne Grüße
Klaus Günther

PKI
26.10.2018, 17:56
Hallo Muranfan,

eine keine Bemerkung, soweit mir bekannt ist hat die CFNR Ihren Sitz nach nach der Pribatisierung nach Luxembourg verlegt.

Grüße
PKI

Muranfan
28.10.2018, 18:13
Hallo Klaus-Günther (#2),

danke für das tolle Foto in vagus-vagrant. Ich meine, dass dieses Foto prinzipiell schon den Schornstein wie in meinem Beitrag zeigt, eben von der Seite. Vergleiche beiliegende Aufnahme von Boot Quand Meme (ex Vorwärts) von vorne mit der Trikolore im Kamin. Vermutlich sieht man von der Seite die blaue Farbe (rot erscheint in schwarz/weiß dunkler). Anscheinend war der rote Streifen der Trikolore Richtung Bug (und auch Richtung Heck?) angebracht.

Gegenüber der Abbildung im Beitrag von Gaston Haelling ist tatsächlich eine Verschiebung der Trikolore festzustellen.

Von der SENR gibt es Aufnahmen, bei der von der Seite genau der rote Streifen der Trikolore sichtbar ist.

Die Aufnahme der Quand Meme stammt aus der Zeitschrift La Navigation du Rhin Nr. 12 vom 10.10.1924.

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Hallo PKI (#3),

besten Dank für die richtige Ergänzung, es gibt viele Fotos von Schubbooten mit der Flagge von Luxembourg.

Beste Grüße
Muranfan

PKI
28.10.2018, 18:55
Hallo Klaus Günther,

das Bild in vagus-vagrant wurde Im Straßburger Hafen (bassin du Commerce) im Hintergrund erkennt man das Hafenamt (Capitainerie).

gruß
PKI