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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Feuerleine / anfeuern



Elbianer
15.03.2009, 00:07
Der Begriff Feuerleine war (oder ist noch ?) in der Elbschiffahrt eine allgemein übliche Bezeichnung für eine auf dem Vorschiff aufgeschossene Drahtleine.
Verwendet wurde sie wie das, was man heute als Laufdraht bezeichnet.

Bevor es Bugstrahlruder gab und insbesondere bei den Schleppkähnen wurde mit dieser Leine auch das Schiff aufgestoppt oder ständig gemacht, wie man auch sagt.
Mit der Feuerleine das Schiff aufstoppen nannte man dann anfeuern. Dies hat nichts damit zu tun, dass man den Matrosen bei dieser Tätigkeit anfeuerte wie die Fußballmannschaft zum Hause, sondern wahrscheinlich weil dabei die Poller (besonders als es noch Holzpoller gab) und die Leine sehr heiß wurden, so dass sie fast Feuer fingen.

Die Leine dürfte dabei ja nicht schlagartig zugelegt werden, sondern musste erst gefiert werden. Der Ausdruck fieren kommt ja wohl aus der englisch dominierten Seemannssprache und fieren klingt sehr ähnlich den englischen Wort fire für Feuer. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht?

GrußThomas

Friedhelm L.
15.03.2009, 00:43
Hallo Thomas, fieren kommt von dem mittelniederdeutschen Wort viren, was soviel heißt wie: zur Seite bewegen. Im englischen to veer.

Gruß
Friedhelm

Elbianer
15.03.2009, 01:46
Hallo Thomas, fieren kommt von dem mittelniederdeutschen Wort viren, was soviel heißt wie: zur Seite bewegen. Im englischen to veer.

Gruß
Friedhelm

Hallo Friedhelm,

ich habe ein Buch von Konrad Reich und Martin Pagel mit den Titel "Himmelsbesen über weißen Hunden. Wörter und Redensarten, Geschichten und Anekdoten - ein Lesebuch für Halbmänner und erwachsene Leute, die sich vom Schiffsvolk und dem Seewesen deutlichere Begriffe verschaffen wollen - neu ins Gespräch gebracht und erkläret." aus den transpress Verlag für Verkehrswesen in Berlin 1981.
Darin steht: "Das Wort lautete schon im Mittelniederdeutschen firen, es stand für loslassen, nachlassen und wurde besonders auf Fäden, Leinen und Ketten bezogen."

Das es aus den Mittelniederdeutschen stammt, stimmt also mit deiner Aussage überein, aber bereits die Schreibweise wird hier anders wiedergegeben und erinnert schon sehr an das englische Wört für Feuer (Dabei sollte man auch bedenken, dass die heutige englische Sprache damals auch noch nicht endgültig feststand). Die hier genannten Tätigkeiten loslassen und nachlassen von Fäden, Leinen und Ketten erzeugen nun mal Reibung und Wärme wenn man diese nicht einfach loslässt, sondern um etwas herum fiert, wie es nunmal Sinn macht.

Im Buch findet sich noch folgendes: "In der Seemannssprache begegnen wir den Wort zum erstenmal in Bremer Urkunden aus dem Jahre 1564: .... dat grote Anker vnd touwe vthgefiret"
Weiter noch "In der gleichen Bedeutung war es niederländisch als vieren, friesisch als fierje und englisch als to veer in Gebrauch." Hier begegnen wir den von dir erwähnten "to veer", aber was hat das Anker fieren mit zur Seite bewegen zu tun? Wenn man zwei Anker ausbringt, dann werden Beide jeweils etwas zur Seite hin ausgebracht, also könnte dieser Große Anker 1564 auch zur Seite (to veer) ausgebracht worden sein. Von einen zweiten Anker ist aber in der Urkunde keine Rede. Sicher kann man auch einen Anker seitlich ausbringen, wenn man zum Beispiel an einer Kaimauer liegt.

Tatsache ist auf jeden Fall, dass dieser Begriff Feuerleine und anfeuern verwendet wurde, sowie dass bei allen Tätigkeiten, welche man mit fieren verbindet, Reibung entsteht welche Wärme erzeugt.

Ich kann nicht nachweisen, dass zwischen Feuerleine, fieren und den Wort fire ein Zusammenhang besteht, aber irgendwie drängt sich dieser Vergleich auf.

Gruß Thomas

Friedhelm L.
15.03.2009, 02:09
Hallo Thomas, habe mal bißchen gegooglet und bin unter anderem bei der Feuerwehr fündig geworden. Dort ist das eine Bezeichnung für Fangleine, und im Angelsport wird der Ausdruck auch benutzt. Aber vielleicht ist der Begriff Feuerleine auch durch ein Dialekt von Fierleine zur Feuerleine geworden.
Gruß
Friedhelm

Elbianer
15.03.2009, 02:17
Hallo Friedhelm,

wo der Begriff nun wirklich herkommt weis ich nicht. Jedenfalls war das ein gängiger Begriff in der Elbschiffahrt. Aber wie so oft im Leben, verwendet man Begriffe und Redewendungen einfach so wie man es gelernt hat, ohne über deren Sinn und Herkunft nachzudenken.

Gruß Thomas

Elbianer
15.03.2009, 02:24
Hallo Thomas, habe mal bißchen gegooglet und bin unter anderem bei der Feuerwehr fündig geworden. Dort ist das eine Bezeichnung für Fangleine
Gruß
Friedhelm

Hallo Friedhelm, ich noch mal. Also die Verbindung zur Fangleine gefällt mir auch irgendwie, schließlich musste der Matrose mit der Feuerleine gewissermaßen das Schiff einfangen. Aber wo liegt die sprachliche Verbindung zwischen Feuer und fangen?

Gruß Thomas

Ernst
15.03.2009, 02:24
Hallo Ihr zwei, mit den Begriffen in der Schiffahrt ist das so eine Sache.
z.B. "Fliegerhaken" (Hochdeutsch Hakenstange) stammt nun mal aus dem Raum Elbe / Berlin, weil dort das Beiboot "Flieger" genannt wurde.
Am Rhein wird das Beiboot "Nachen" genannt, aber den Fliegerhaken gibts auch am Rhein ! :fragkratz:

Gruß Ernst

Elbianer
15.03.2009, 02:32
Hallo Ihr zwei, mit den Begriffen in der Schiffahrt ist das so eine Sache.
z.B. "Fliegerhaken" (Hochdeutsch Hakenstange) stammt nun mal aus dem Raum Elbe / Berlin, weil dort das Beiboot "Flieger" genannt wurde.
Am Rhein wird das Beiboot "Nachen" genannt, aber den Fliegerhaken gibts auch am Rhein ! :fragkratz:

Gruß Ernst

Hallo Ernst, wir streiten uns ja hier nicht (zumindest habe ich es bisher nicht so aufgefasst) sondern diskutieren über den Ursprung dieses Begriffes. Das Schiffahrt sehr Regional ist weis ich wohl, auf der Elbe sind es Buhnen, auf den Rhein Krippen. Auf der Donau Zugschiffe, woanders Schleppschiffe usw. aber jeden dieser Begriffe kann man ja versuchen zurück zu verfolgen, wie er entstanden ist.

Gruß Thomas

Ernst
15.03.2009, 02:35
Hallo Thomas, ich habe eure Diskussion auch nicht als Streit aufgefasst sondern wollte nur mal ein Beispiel für übergreifende Begriffe einbringen.


Gruß Ernst :wink:

Gernot Menke
18.03.2009, 10:35
aber was hat das Anker fieren mit zur Seite bewegen zu tun? Wenn man zwei Anker ausbringt, dann werden Beide jeweils etwas zur Seite hin ausgebracht, also könnte dieser Große Anker 1564 auch zur Seite (to veer) ausgebracht worden sein. Von einen zweiten Anker ist aber in der Urkunde keine Rede.

Hallo Thomas,

ich weiß nicht, ob es wirklich daher kommt, aber Sinn machen würde das mit dem Anker schon: die wurden ja früher auf See an Deck festgezurrt, damit sie nicht außen rumbammelten und die hölzerne Bordwand kurz- und kleinschlugen, und hinterher hat man sie wieder "uthgefiret", also zur Seite hin ausgebracht, wenn man sie wieder brauchte. Von diesem kontrollierten "Herauslassen" von Tauen und Gegenständen könnte wiederum die heutige Bedeutung des langsamen "Abfierens" herkommen.

- Ob nicht das "to veer" - zur Seite bewegen, auch in Fähre drinsteckt? Ich werde bei Gelegenheit mal in einem ethymologischen Wörterbuch nachgucken.

Und noch etwas: kann mit dem Begriff "Feuerleine", wenn er auf der Elbe die von Dir beschriebene Bedeutung des Abstoppens hat, nicht auch soviel wie "Notleine" (so wie auch in Hotline. Der "heiße Draht" hieß ja auch nicht so, weil damit so viele Leute telefonierten, sondern weil über sie im Fall der Fälle direkt die Zentrale erreicht werden konnte) gemeint sein? Die von Dir beschriebene Bedeutung halte ich aber auch für möglich, bin aber, was die Verbindung von "fire" und "fieren" angeht, mehr als skeptisch.

:wink: Gernot

Elbianer
18.03.2009, 23:51
Hallo Thomas,

...die wurden ja früher auf See an Deck festgezurrt, damit sie nicht außen rumbammelten und die hölzerne Bordwand kurz- und kleinschlugen...- Ob nicht das "to veer" - zur Seite bewegen, auch in Fähre drinsteckt?..
Und noch etwas: kann mit dem Begriff "Feuerleine", wenn er auf der Elbe die von Dir beschriebene Bedeutung des Abstoppens hat, nicht auch soviel wie "Notleine" (so wie auch in Hotline. Der "heiße Draht" hieß ja auch nicht so, weil damit so viele Leute telefonierten, sondern weil über sie im Fall der Fälle direkt die Zentrale erreicht werden konnte) gemeint sein? Die von Dir beschriebene Bedeutung halte ich aber auch für möglich, bin aber, was die Verbindung von "fire" und "fieren" angeht, mehr als skeptisch.

:wink: Gernot

Hallo Gernot, also auch bei hölzernen Segelschiffen wurde der Anker niemals an Deck festgezurrt, dafür gab es den Kranbalken. Teilweise wurden die Flunken in speziellen Halterungen am Schanzkleid gesichert und die Bordwand war in diesen Bereich in der Regel auch verstärkt. Bei den damaligen Navigationsmöglichkeiten und Abhängigkeit vom Wind war die Wahrscheinlichkeit den Anker plötzlich zu brauchen viel zu groß. Einen an Deck verzurrten Anker erst klar zu machen, hätte viel zu lange gedauert.

Fähre und "to veer" klingt in Verbindung einleuchtend, da könntest du recht haben.

Das Aufstoppen mit der Leine war, als dieser Begriff entstand, kein Not-Manöver sondern gängige Praxis. Schleppkähne haben nun mal keinen Motor mit Rückwärtsgang, die ersten Dampfschiffe konnten teilweise auch nicht oder nur sehr langsam die Maschine umsteuern. Schiffsdiesel wurden lange Zeit mit Druckluft umgesteuert, Getriebe waren eher die Ausnahme. Das umsteuern dauerte auch einige Zeit. Leere Frachtschiffe sind sehr viel Windanfälliger als es sich die meisten "Nichtschiffigen" vorstellen. Das heißt man durfte ohne Bugstrahl nicht zu zeitig stoppen, sonst war man "vom Winde verweht". Da Wind aber selten konstant weht, sondern häufig Stärke und Richtung ändert, sowie Ablenkung des Windes durch Bauwerke, Böschung, Bäume usw. hinzukommt, gelang es nicht immer passend zu stoppen. Da musste der Matrose auch immer mit der Leine mithelfen.
Ich möchte mir auch gar nicht vorstellen ein leeres Frachtschiff ohne Bugstrahl zu fahren, wenn an Deck nur eine Matrose steht, welcher nur anlegen mit Bugstrahler kennt. Bei den Gedanken kommt mir nur :roooll: und :fragkratz: in den Sinn.

Das fieren nicht mit den englischen Wort für Feuer zu tun haben muss kann schon sein, der Vergleich hat sich mir aber aufgedrängt.

Gruß Thomas