Warum wird man Binnenschiffer?
Hallo Binnenschiffsfreunde,
dann möchte ich mal anfangen.
Warum wird man Binnenschiffer?
Bei mir war es so, ich bin in Herten (Ruhrgebiet) geboren und groß geworden. Da gab es Kohlenzechen und einen großen Fleisch verarbeitenden Betrieb das war es. Als ich 1972/73 in der 9. Klasse war, stellte sich die Frage nach dem Berufswunsch!
Mein Vater selbst Bergmann hätte es gerne gesehen wenn ich seinen Beruf ergriffen hätte. Meine Mutter war mehr für einen Beruf im Büro, von beiden Berufen war ich wenig begeistert. Aber ich hatte ja noch einen Cousin, er ist 3 Jahre älter als ich und war in der Lehre als Binnenschiffer bei der Mannesmann-Reederei in Duisburg. Unser Onkel fuhr ebenfalls als Kapitän auf dem Schubboot MANNESMANN III bei der gleichen Firma. In den Osterferien 1973 nahm mein Onkel mich für eine Reise mit auf das Schubboot. Da hatte ich meinen ersten echten Kontakt mit der Binnenschifffahrt und der Schubschifffahrt. Für die Strecke Duisburg-Huckingen und zurück benötigten wir etwa 48 Stunden. Nach dieser Reise war klar welchen Beruf ich ergreifen würde Binnenschiffer!
Am 01. August 1973 begann meine drei jährige Lehrzeit bei der Mannesmann Reederei.
Beginn der Lehrzeit
Meine dreijährige Lehrzeit bei der Mannesmann Reederei begann mit einem 4 Wöchigen Lehrgang auf der Schifferberufschule in Duisburg-Homberg. Im Fiskalischen Hafen waren wir auf den Schulschiffen Rhein I + II untergebracht. Schulschiffleiter war Kapitän Weiss, zum Ausbilderteam gehörte der Steuermann Peter Haas, er nahm uns neuen unter seine Fittiche. Wir waren etwa 25 Jungs in diesem Lehrgang, der Kenntnisstand war unterschiedlich manch einer hatte schon einige Reisen gemacht, andere waren das erstmal an Bord.
Uns Landratten, wurde erstmal einige Grundkenntnisse beigebracht. So lernten wir nicht nur wo beim Schiff vorne und hinten ist, sondern auch den Unterschied zwischen Tau und Draht oder was ein Reibholz ist und wofür diese Dinge benutzt werden. Es ist auch wichtig sich eine vernünftige Mahlzeit zu zubereiten, also erhielten wir auch eine Unterweisung im kochen.
In den Pausen oder nach Feierabend saß ich auf dem Achterdeck und hörte den Erzählungen der älteren Schiffsjungen zu. Diese waren ja immerhin schon im Unter- oder Oberkurs (2. oder 3. Lehrjahr) und galten als „erfahren“. Ich ging auch oft mit anderen Schiffsjungen in die Rheinwiesen und wir sahen den vorbei fahrenden Schiffen zu. An eines erinnere ich mich ganz besonders gut, die Typhoonsignale der Schiffe die in Duisburg-Ruhrorter Häfen ein und ausfuhren. Mit der Verbreitung des UKW Sprechfunks wurden dieses „Konzert“ immer weniger. So schauten und hörten wir und die erste Reise als Schiffsjunge rückte immer näher....
Die erste Reise
Am Freitag den 13. September brachten mich meine Mutter und meine Tante an Bord von MS „Katharina“. Das Schiff lag zusammen mit dem Schleppkahn „Mannesmann 27“ im Werkshafen Duisburg – Huckingen und wurde gelöscht. An Bord lernte ich erstmal die Besatzung kennen. Nachdem die Fahrzeuge entladen waren, nahm Ms „Katharina“ den Kahn „Mannesmann 27“ längsseits und verließ den Hafen und ging danach vor Anker. Am nächsten Morgen wurden die Schiffe abgewaschen und ich durfte das erste mal das Ruderhaus säubern. Diese Arbeit gehörte die nächsten Jahre zu meinen Aufgaben und weitere sollten folgen. Gegen 10:00 Uhr morgens gingen wir Anker auf und fuhren auf dem Niederrhein zu Tal. Vorbei an den Städten Duisburg-Ruhrort, Wesel, Xanten und Rees. Bei Emmerich passierten wir das Deutsch-Niederländische Grenze. Unterhalb Millingen hieß der Rhein jetzt WAAL und an dessen Ufern Lagen die Städte Nimwegen, Tiel und Zaltbommel gegen 21:00 Uhr erreichten wir das Tagesziel, die Stadt Gorinchem. Der Verband fuhr in den dortigen Hafen und es wurde „Sonntag gehalten“. Am Montagmorgen den 17. September 1973 setzten wir unsere Reise nach Rotterdam fort. Gegen Mittag erreichten wir den Erzhafen Europoort und übernahmen dort eine neue Erzladung für die Mannesmann Hüttenwerke in Duisburg.
Fortsetzung folgt....
Gruß Norbert
Warum wird man Binnenschiffer? Teil 2
Hier die Fortsetzung
Havarie
Am 30.11.1973 gegen 7:20Uhr fuhr der Koppelverband Katharina bei Rheinkilometer 803 Ortslage Mehrum zu Tal. An diesem Morgen war durch einige Nebelschwaden die Sicht beeinträchtigt. Wir begegneten den Schubverband „Mannesmann II“ mit blauer Tafel, also Begegnungseite Steuerbord an Steuerbord. Hinter dem „Mannesmann II“ kam ein weiteres Schiff zu Berg ohne blaue Tafel, dieses wollte wir an dessen Backbordseite passieren. Deshalb gab unser Schiffsführer mit dem Typhoon einen kurzen Ton (Ich richte meinen Kurs nach Steuerbord), dass Signal wurde von dem Bergfahrer wiederholt. Bedingt durch einen Ausfall der elektrischen Ruderanlage kollidierte das Schiff mit unserem Schleppkahn. Durch den Anprall entstand in der Bordwand des Laderaums 4 ein Loch von etwa 2 m². Da der Schleppkahn leer war, bestand nicht die Gefahr das er untergehen könnte. Unser Schiffsführer wendet den Verband und wir gingen vor Anker. Einige Zeit später kam ein Boot der Wasserschutzpolizei und nahm den Unfall auf. Unser Schiffsführer bekam eine Anzeige, weil er trotz unsichtigen Wetters ohne Radar gefahren ist. Zu dieser Zeit hatten waren schon viele Binnenschiffe eine solche Flussradaranlage, wir auf Katharina jedoch nicht. Da nicht nur die Bordwand, sondern auch der Kimmgang beschädigt war, dichtete ein Taucher die Leckage notdürftig ab. Nach Beendigung der Arbeiten ging es zurück nach Duisburg-Ruhrort in das Hafenbecken C. Auf der dort ansässigen Triton Werft sollte der Havarieschaden beseitigt werden.
Reparatur auf der Werft
Nach der Havarie in Mehrum wurde Kahn Mannesmann 27 zur Reparatur nach Duisburg zur Triton Werft gebracht. Da die Helling noch belegt war, mussten wir warten. Zwei Tage später kam ein kleiner Werfteigener Schlepper und zog uns zur Helling. Die Helling der Triton Werft war eine Querhelling, dort waren Schienen bis ins Wasser verlegt auf denen die Hellingwagen mittels Seilwinden bewegt wurden. An einigen dieser Wagen waren senkrecht etwa 4 Meter lange Stangen angebracht um die Schiffe genau über den Wagen zu positionieren. Der Schlepper bugsierte Mannesmann 27 auf die richtige Position über den Wagen. Danach zogen die Seilwinden diese mit dem darauf liegenden Schiff langsam aus dem Wasser. Nachdem das Wasser durch das Loch im Rumpf raus gelaufen war begann die Reparatur. Zuerst entfernten die Arbeiter die Notabdichtung, danach begannen sie die Beschädigten Eisenplatten aus dem Rumpf zu brennen. Anschließen ersetzte man diese durch neue Platten. Das war bei der Bordwand kein Problem, da aber auch der darunter liegende Kimmgang (Übergang von der Bordwand zur Bodenplatte) beschädigt war, musste diese Platte auch zu Recht gebogen werden, bevor sie eingeschweißt werden konnte. Nach Beendigung der Reparatur ließen die Werftarbeiter die Wagen mit Kahn 27 ins Wasser, nach dem aufschwimmen bugsierte der Werftschlepper das Schiff an einen Liegeplatz, dort holte uns Ms Katharina am folgenden Tag wieder ab. Die nächste Reise Kurs Rotterdam hatte begonnen.
Neue Order: Mit Kohle nach Mainz
Es ist April 1974 viele Wochen sind seit Begin der Lehre ins Land gegangen. Ich war noch auf dem Koppelverband Katharina, wir pendelten immer zwischen dem Hafen Huckingen und den Erzhäfen in Rotterdam. Nun lag etwas Besonderes an, wir hatten Order bekommen von Huckingen aus leer zu Tal bis nach Homberg zu Fahren um im Rheinpreußen Hafen Kohle zu laden. Das hieß erst einmal Laderäume fegen, diese mussten Blitzsauber sein. Im Rheinpreußen Hafen luden wir Kohlen für das Kraftwerk in Mainz-Ingelheim. Am 24. April ging es zu Berg Richtung Mainz. Zum ersten mal sah ich Städte wie Düsseldorf oder Köln vom Wasser aus. In Bonn kam das Rheinische Schiefer Gebirge in Sicht. Weiter ging es zu Berg vorbei an Königswinter, Remagen, Rheinbrohl und Bendorf bis nach Koblenz. An diesem zweiten Reisetag wollte unser Schiffsführer bis nach Sankt Goar fahren. Das war gar nicht so einfach ohne Radar im Dunkeln. Ich erinnere mich noch daran, dass wir die Ofenrohre auf dem Kahn 27 abgebaut haben, sodass man die Kopfstücke nicht mit Fahrwassertonnen verwechselt werden konnte. Am 26. April abends gegen 22:00 ging unser Verband in Sankt Goar vor Anker. Schon am nächsten Morgen gegen 6:00 Uhr kam der Lotse an Bord und die Reise wurde fortgesetzt. Die Loreley passierten wir im Dunkeln, unser Lotse begleitete uns bis Oberwesel, dort stieg er aus. Weiter ging es durch das Gebirge. Unser Schiffsführer hatte für die Fahrt durch das Binger Loch einen weiteren Lotsen und ein Vorspannboot bestellt. Zwar hatten wir nur einen Tiefgang von 1,90 Meter aber die 600 Ps Antriebsleistung war für das Passieren des Binger Lochs zu wenig. Ursprünglich hatte es eine Durchfahrtsbreite von 30 Meter und war unter den Schiffern als Schiffskiller berüchtigt. Im April 1974 war es schon auf etwa 50m Aufgesprengt worden, heute hat es eine Breite von 110m. Von Assmannshausen bis Bingen zog uns das 1000 Ps Starke Schleppboot Pilot.
Viele Menschen kennen aus der Seefahrt die Äquatortaufe, so etwas gab es in der Binnenschifffahrt auch es war die Bingerlochtaufe. Der jenige der zum erste mal durchs Loch fuhr wurde Getauft. Man stelle sich das so vor, ich bekam einen Riemen von unserem Beiboot in die eine und einen Schrubber in die Hand. Dann noch einen Rettungsring um den Hals. Beim Passieren der engsten Stelle gab es als kleine Zugabe noch eine Pütz Rheinwasser über den Kopf. Um das ganze abzurunden durfte ich noch ein Liedchen singen. Das macht sehr viel Freude bei Außentemperaturen von 14° C, leider habe ich keine Fotos mehr davon. Gegen Mittag erreichten wir Mainz-Ingelheim unser Reiseziel. Und zwei Tage Später ging es wieder zu Tal nach Duisburg in die Erzfahrt.
Gruß Norbert
Warum wird man Binnenschiffer?
Hallo Jürgen F,
das liest sich ja ganz spannend. Wenn du lust und Zeit hast schreib es einfach auf, man kann es erst auf dem PC abspeichern, um dann zu entscheiden ob es veröffentlicht wird oder nicht.
Ich habe festgestellt als ich diese Dinge geschrieben habe, sind mir viele Sachen wieder eingefallen. Die eigentlich in vergessenheit geraten waren, für mich war es als öffne ich ein Buch. Für ein paar weitere Sachen muss ich mal aufraffen, da kommen noch ganz tolle Geschichten und Anekdoten zu Tage.
Gruß Norbert