Bingerloch Durchfahrt bis 1974
Hallo Kollegen,
leider bin ich erst Ende 1978 zur Binnenschifffahrt und jeder der es in Bingen wusste, hat mir erzählt,
"Früher ist die Bergfahrt hier durch und die Talfahrt da drüben, durch das neue Fahrwasser gefahren"
Damals sagte ich gelangweilt, wie naiv, AHA und habe es auch genau so weitergegben in meinen 43 Jahren. Sekundär ob das unseren Nachwuchs überhaupt noch interessiert.
Heute würde ich es gerne genauer wissen und man findet schon so einiges über die Entstehung und der Veränderung des Bingerloch(s). Findet auch Bildmaterial wie Schiffe da drüber gezerrt wurden usw.
Aber man findet überhaupt nichts darüber, wie die Schiffmänner diese Durchfahrten erlebten und was Sie dafür tun mussten. Überlieferungen fanden meist nur Verbal statt und die die es erlebt haben werden leider immer weniger.
Die massiven Bauarbeiten um das Bingerloch zu beseitigen, begann 1966 und die erste freie Durchfahrt war nach meinen Recherchen erst 1974. War das Bingerloch während dieser Bauarbeiten ununterbrochen befahrbar? Und weiß rein zufällig noch jemand das genaus Datum der Streckenfreigabe?
Wann wurde das neue Fahrwasser wieder geschlossen?
Und dabei wäre es auch interessant in Erfahrung zu bringen, wo genau war das "da drüben durch"?
Wo genau war die Einfahrt ins neue Fahrwasser?
Ging es an der Stadt entlang zu Tal, über den Nahegrund und hinter dem Mäuseturm zu Tal?
Oder ging es doch am Nahegrund entlang, vorn am Mäuseturm vorbei und dann erst in das neue Fahrwasser, an dieser langen Längskrippe entlang zu Tal und unten wieder raus?
Wer durfte das neue Fahrwasser nutzen, nur Talfahrer oder auch Bergfahrer?
Durften Talfahrer auch durchs Bingerloch?
Wie wurde das gerelegelt ohne Funk?
So und nun lasst die Welt und mich nicht dumm sterben, denn ich möchte es gerne literarisch Festhalten.
Vielen Dank
Werner
„Mut ist, das Buch eines unbekannten Autors zu lesen.“
https://schlechtwetterzonen.de/
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Bingerloch druchfahrt bis 1974
Hallo Schippers
Ich stelle hier noch einmal Bilder vom Binger Loch vor 1974 ein .
1+2 zeigt die Fahrt durchs Loch die anderen Burg Ehrenfels bei der sich das Fenster schließt wenn man im Loch ist.
Beste Grüße
Peter :wink:
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Hallo Werner,
das Binger Loch hat für mich schon immer eine besondere Bedeutung; mein Opa (war beim Wasserbau) erzählte mir häufig davon. 1992 bis 1995 während meiner Zeit beim Rheinausbau war ich zuständig für die Baumaßnahme "A15 N Nachregelung der Binger-Loch-Strecke".
Zu Deinen Fragen kann ich vorab mitteilen, dass die offizielle Freigabe der 120m-Fahrrinne am 5. September 1974 erfolgte (man konnte ab Frühjahr 1974 schon mit einer Fahrrinnenbreite von ca. 80m passieren).
Anbei eine Aufnahme des WSA Duisburg von 1964 (Abb 1), dort kann man einiges entdecken:
- Talfahrt durch das II. Fahrwasser, hier kann man alleine 6 zurückkehrende Vorspannboote sehen
- Im II. Fahrwasser ist auch Bergfahrt unterwegs
- Ein wartendes Räderboot unterhalb der Lochsteine, kann aufgrund des Aufnahmedatums nur Raab Karcher XIV Oskar Huber sein
- Meines Wissens durften die Schleppzüge durch die Gebirgsstrecke nur 3 Anhänge ziehen, der Schleppzug scheint aber 4 Kähne zu haben - vielleicht kann das Jemand erklären?
Die Verkehrsregelung wurde vom Mäuseturm aus wahrgenommen.
Abb 2 zeigt eine Zeichnung (vom WSA Bingen) über den Zustand der Binger-Loch-Strecke vor dem Rheinausbau in den 1960er Jahren
Abb 3 zeigt die typische Annäherung an das Loch im Strömungsschatten des Riffs
Abb 4 zeigt den bereits durchgefahrenen Vorspänner, während der Anhang sich möglichst lange im Strömungsschatten hielt
( wird fortgesetzt )
Grüße
Muranfan
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Ursprüngliche Ausbauplanung der Binger-Loch-Strecke mit 3. Fahrwasser
- Fortsetzung von Beitrag #12
Hallo Werner,
die ursprüngliche Ausbauplanung für die Binger-Loch-Strecke sah die Einrichtung eines dritten ("mittleren") Fahrwassers vor, entsprechende Arbeiten hatten schon begonnen.
Abb 5 zeigt die ursprüngliche Ausbauplanung mit dem mittleren Fahrwasser, die Talfahrt wäre dann nur noch durch das II. Fahrwasser ("Linksrheinisches Fahrwasser") gegangen, die Bergfahrt durch das eigentliche Binger-Loch-Fahrwasser sowie das mittlere Fahrwasser.
Im Mäuseturm waren dazu schon die Anzeigen für die Lichtsignaltafeln errichtet, diese waren zumindest in der ersten Hälfte der 1990er Jahre dort noch vorhanden (siehe auch Abb 6).
Abb 6 zeigt einen Ausschnitt aus der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung von 1970, dort sind schon die 3 Fahrwasser aufgeführt mit den entsprechenden Wahrschausignalen (Lichtzeichen ähnlich der Loreley-Strecke)
Abb 7 zeigt die Baumaßnahmen am 05. November 1971 mit einem Felsmeißelschiff im Bereich des mittleren Fahrwassers.
( wird fortgesetzt )
Grüße
Muranfan
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Baumaßnahme A15: Ausbau der Binger-Loch-Strecke auf 120m Fahrrinnenbreite bis 1974
@Rome: danke :super:
- Fortsetzung von #13
Die Ausbauplanung der Binger-Loch-Strecke (Bau eines mittleren Fahrwassers) wurde 1972 geändert. Die Gründe dafür waren:
Zwischenzeitlich hatte sich die Schiffahrt auf dem Rhein schneller als erwartet geändert, die Abmessungen der Einzelfahrer sowie der Anteil der Schubverbände hatten zugenommen. Versuchsfahrten mit 4-Leichter Schubverbänden durch die Binger-Loch-Strecke hatten gezeigt, dass die Talfahrt solcher Verbände durch die drei schmalen Einzelfahrwasser nicht ohne weiteres möglich sein würden. Auch für die übrige Schiffahrt war eine weitergehende Entschärfung dieses gefährlichen Schiffahrtsengpasses zur Erhöhung der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs notwendig. Daher wurden die Modellversuche bei der BAW (Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe) fortgesetzt mit dem Ziel, eine Ausbaulösung zu finden, die der weiteren Entwicklung der Schiffahrt Rechnung trägt und für die gesamte Binnenschiffahrt gleich günstige Verhältnisse schafft.
Quelle für sämtliche Informationen: Baudirektor Karl Langschied (Amtsleiter WSA Bingen) in: Wasserbau-Mitteilungen der Technischen Hochschule Darmstadt Nr. 24 / 1985 (hier nur sehr gekürzt wiedergegeben)
Abb 8:
Blick aus dem Mäuseturm am 5. November 1960, wir sehen einen talfahrenden Schleppzug auf dem Weg ins II. Fahrwasser, ein französischer Schubverband mit 2 Leichtern hat soeben das Binger Loch durchfahren. Interessant auch die 2 Dampfzüge im Hintergrund; die Umstellung der rechten Rheinstrecke auf elektrischen Betrieb erfolgte erst 1962.
Foto: WSA Bingen
Abb 9:
Die Graphik aus der Broschüre "Ausbau des Rheins" (herausgegeben 1977) zeigt die wesentlichen Bauarbeiten zur Herstellung einer 120m-breiten Fahrrinne im Binger Loch:
- Felsabtrag im oberen Bereich
- Sohlaufhöhung im unteren Bereich (zur Verminderung der Gefällestufe)
- Verlängerung des bestehenden Leitwerks (rot) bis zur Mäuseturminsel, damit Änderung der Wasserverteilung zugunsten des Hauptstromarmes (dies erfolgte im März 1974, dazu wurde oberhalb des Riffs ein künstliches Riff aus Betonfertigsteinen errichtet)
- Verkürzung des unteren Teils des bestehenden Leitwerks (gestrichelt dargestellt)
Abb 10:
Zustand der Binger-Loch-Strecke von der offiziellen Freigabe am 5. September 1974 durch den Bundesminister für Verkehr bis zum März 1994 (Hintergründe und Baumaßnahmen folgen im nächsten Teil). Zeichnung: WSA Bingen
Grüße
Muranfan
( wird fortgesetzt )
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Baumaßnahme A15 N: Nachregelung der Binger-Loch-Strecke 1994
- Fortsetzung von #16
Die Ausbaumaßnahmen am Mittelrhein wurden bewusst behutsam durchgeführt und dabei eventuelle spätere Nachregelungen in Kauf genommen.
Nach Abschluss der Bauarbeiten Mitte der 1970er Jahre konnte die Fahrinnentiefe im Bereich von Budenheim bis St.Goar von 1,70m auf 1,90m unter GlW erhöht werden. Die angestrebte Fahrrinnentiefe von 2,10m unter GlW sollte in den wenigen fehlenden Bereichen durch Nachregelungen hergestellt werden (daher wurde an die bisherigen Bezeichnungen der Ausbaustrecken ein "N" angehängt - für die Binger-Loch-Strecke war die Bezeichnung A15, für die Nachregelung entsprechend A15 N).
Die Freigabe der größeren Fahrrinnentiefe erfolgte:
Zum 01.01.1977 zwischen St. Goar und Mannheim auf 1,90m unter GlW
Zum 01.06.1978 zwischen Mainz und Mannheim auf 2,10m unter GlW
Zum 01.01.1980 zwischen Mannheim und Karlsruhe auf 2,10m unter GlW
Nach erneut umfangreichen Untersuchungen fiel die Entscheidung bei der Binger-Loch-Strecke zum Bau eines langen Leitwerkes zur Anhebung der Wasserspiegellagen auf der Binger Reede (bei Niedrig- und Mittelwasser; dabei waren die Maßnahmen so konzipiert, dass kein Anstieg bei Hochwasser erfolgte).
Diese Planungen hatten ein deftiges Presse-Echo zur Folge, in einem Artikel war vom Bau der "Binger Mauer" die Rede. Ein Journalist, dem ich einen maßstäblichen Querschnitt durch den Rhein mit dem neuen Leitwerk zeigte, fand dieses auf der Zeichnung gar nicht. Schließlich fragte er, warum man dafür solch einen Wirbel gemacht hätte?
Nachdem die Stadt Bingen mit ihrer Klage vor Gericht gescheitert war begannen im März 1994 die Bauarbeiten.
Abb 11 zeigt die Binger-Loch-Strecke mit dem neuen Leitwerk sowie den zusätzlichen Maßnahmen wie der Überlaufschwelle am Nahegrund (Zeichnung: WSA Bingen)
Abb 12 zeigt die Baumaßnahmen am 13. Juli 1994, GMS JOLINE (ex RHENUS 135) brachte Wasserbausteine (eigene Aufnahme).
Abb 13 zeigt die Entladung von GMS DELOS am 20. Juni 1994 (eigene Aufnahme).
Abb 14 zeigt die Rohrverlegung an der Überlaufschwelle am 20. Juni 1994 (eigene Aufnahme).
Leider wurden die weiteren Nachregelungsmaßnahmen, für schon ein Haushaltsentwurf aufgestellt war, damals aus diversen Gründen nicht weiterverfolgt. Erst in jüngster Zeit hat das Projekt unter dem Namen "Abladeoptimierung Mittelrhein" wieder neue Fahrt aufgenommen.
Grüße
Muranfan
- wird fortgesetzt mit Impressionen aus der Zeit des Binger-Loch-Fahrwassers vor dem Ausbau, der bereits 1966 begonnen hatte -
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Hallo Werner,
ich hatte die Gelegenheit ergriffen, etwas aus meiner Binger-Loch-Sammlung einzubringen, obwohl es in diesem Thema ja um Dein Buch geht. So ist der Ausbau dieses Engpasses wenigstens nachlesbar.
Zu Deiner Frage in #1 folgende Info: Das Binger Loch war auch während der Bauzeit durchgehend befahrbar, die anderen Fragen, soweit ich sie beantworten kann, finden sich in meinen Beiträgen.
Anbei noch einige Aufnahmen vom Binger Loch:
Abb 15:
Ansichtskarte aus der Zeit der Dampfschiffahrt
Abb 16:
Das Binger Riff vom linken Rheinufer aus am 15.10.1959; Foto WSA Bingen
Abb 17:
Das Binger Riff vom linken Rheinufer aus am 15.10.1959, interessant auch der Personenzug mit der Baureihe 23 auf der rechten Rheinstrecke; Foto WSA Bingen
Abb.18:
Blich aus dem Mäuseturm im Juni 1959 mit einem talfahrenden Haniel-Schleppzug sowie dem KD-Dampfer RHEINGOLD; Foto WSA Bingen
Bzgl. Bilderwünschen habe ich Dir eine PN gesandt.
Grüße
Muranfan
Übrigens Muranfan bedeutet: Fan des Motorzugschiffes Muráň der tschechoslowakischen Donaureederei CSPD - zum Fotografieren dieses Schleppers habe ich unzählige Km zurückgelegt......
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Zu #23 Abb 15: und heute:wink:.
Gr, Henry
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Hallo,
einige weitere Aufnahmen vom Binger Loch:
Abb 19:
Modell der Binger-Loch-Strecke, hier mit zusätzlichem mittleren Fahrwasser, in der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW, Foto IZB-Medienarchiv).
Damit konnten die Veränderungen der Wasserspiegellagen sowie der Strömungsverhältnisse ermittelt werden.
Abb 20:
Der im Beitrag #16 erwähnte künstliche Fangedamm im Dezember 1972 (Foto: IZW-Medienarchiv der BAW)
Abb 21:
Vorspannboot MARTINUS (Loh) quält sich durch das Binger Loch. Aufnahme von Gunter Dexheimer, 1962. Links vorne entdecken wir einen weiteren Vorspannschlepper (MANFRED). Es gibt weitere Aufnahmen, dass zwei solcher Verbände gleichzeitig den Engpass durchfahren haben, für mich erstaunlich.
Grüße
Muranfan
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Hallo Rome + Henry,
hier die vorhergehende Aufnahme zu Abb 21 in #26;
Abb 22:
Die Vorspannboote MANFRED und MARTINUS fahren 1962 fast parallel durch das Loch mit jeweils eigenen straffen Schleppsträngen - dies kann ich mir auch nach euren Erläuterungen (vielen Dank) nicht erklären
Abb 23:
Auch auf dieser Aufnahme vom WSA Bingen vom 10.11.1959 fahren zwei Vorspänner nebeneinander durch die Engstelle, RHEINSTEIN und daneben womöglich WILLY spätere RHEINLAND?
Schleppen die nun beide den gleichen Kahn?
HINWEIS an die Moderatoren:
Bitte im Titel "druchfahrt" ändern in Durchfahrt, danke.
Grüße
Muranfan
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Bingerloch Durchfahrt bis 1974
Hallo,
in #17 wurden die Lichtzeichen am Mäuseturm erwähnt, welche den Verkehr in den 3 zukünftigen Fahrwassern regeln sollten. Wie in #16 dargestellt, kam es dazu nicht und die Zeichen für die Lichtwahrschau am Mäuseturm wurden (wann?) wieder abgebaut.
Ein Binnenschiffer aus der DDR hat diese aber fotografiert, ein interessantes Detail beim Ausbau der Binger-Loch-Strecke.
Grüße
Muranfan
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Hallo zusammen, hier noch eine Seite aus einem alten Rheinatlas :
Durchfahrt Bingerloch vor und nach der Streckenänderung.
Ich selbst habe noch vom rechtsrheinischen Ufer bei einigen Sprengungen zuschauen können,
aber es war weit weniger zu sehen, als vorher angenommen.
Gruß Rolf
Bingerloch Durchfahrt bis 1974
Genau, Erinnerungen aus 1972
Das Einzige was mir in Erinnerung geblieben ist, war die Anweisung, mit einer großen Axt an der Pollerbank, worauf der Schleppdraht befestigt war, zu stehen. Wir hatten ein 63m Schiff und voll abgeladen. Sollte nämlich der "starke" Schlepper unseren Kopf unter Wasser ziehen, hatte ich den Draht durchzuhacken. Auch wenn ich Pudding in den Knien hatte, war ich froh, den Auftrag nicht ausführen zu müssen.
Es war eine schöne verrückte Zeit damals. Nun feire ich im Julei schon meinen 70. und genieße meine Rente mit Frau.
So vieles hat sich inzwischen geändert, leider auch die Zuwendungen an den Schiffsverkehr... Schade