Liebe Heide,
während in den Medien – und zwar, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, durchaus zu Recht – darüber geklagt wird, daß die Kinder auf unverantwortliche Weise vernachlässigt werden und dauerhaft Schaden leiden, wenn Schulen und Kitas wegen der herrschenden Pandemie bis auf Weiteres geschlossen und die Kinder sich selbst überlassen bleiben und Fernunterricht nicht die Lösung sein kann, kam mir persönlich der Gedanke an meine eigene Kindheit:

Ich bin Jahrgang 1951, und es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre auf einem Reedereikahn geboren worden, während er auf der Werft lag, um zum Motorschiff umgebaut zu werden. Auf diesem MS habe ich dann praktisch seit der Geburt die ersten fünf Jahre meines Lebens verbracht habe, ehe meine Eltern überhaupt ihre erste feste Wohnung an Land bezogen und ich in der Obhut meiner Mutter zur Schule gehen und den Kontakt mit anderen Kindern erlernen konnte. Bis dahin beschränkte sich meine Gesellschaft in Vater, Mutter und zwei wechselnde Matrosen. Mein älterer Bruder ging übrigens kriegsbedingt nur vier Jahre zur Volksschule, mein jüngerer älterer Bruder besuchte das Schifferkinderheim in Hörstel. Beide erlebte ich nur, wenn sie zeitweise als Matrosen bei uns an Bord waren.
Ich selbst sollte das Gymnasium besuchen und studieren. Es versteht sich aber fast von selbst, daß mich die Zeit geprägt hat, daß ich fast alle meine Ferien an Bord verbracht und sogar noch während des Studiums bei meinen Geschwistern, die ebenfalls Schiffsführer wurden, hin und wieder an Bord gearbeitet habe.

Ich erwähne das nicht, um mich über mein Schicksal zu beklagen. Doch vermisse ich - und zwar nicht erst jetzt - jegliche Aufmerksamkeit, was unsere Erfahrung betrifft, will sagen, die Erfahrung von Kindern, deren einziges Zuhause über Jahre die Roof mit dem Deck als Auslauf war, mit Häfen als Spielplatz. Jeder, der diese Erfahrung gemacht hat, weiß sofort was gemeint ist, während jeder (und das sind beinahe alle), der sie nicht gemacht hat, sich nicht vorstellen kann, was sie für uns mit allen Sonnen- und Schattenseiten bedeutet.

Ich möchte daher etwas nachholen und ein Buch über jene Jahre und Erfahrungen machen. Dafür suche ich Menschen, Jungen/Männer oder Mädchen/Frauen, die ungefähr in meinem Alter sind und/oder Vergleichbares erlebt haben und darüber berichten möchten. Ich stelle mir vor, mit ihnen Gespräche sowohl über ihre Kinderzeit an Bord als auch (soweit es der Fall war) ihre Schulzeit im Schifferkinderheim zu führen und darüber, wie diese Zeit ihren weiteren Lebensweg geprägt hat. Dies ist also mein erster Versuch, Kontakt zu solchen ‚SchicksalsgenossInnen’ aufzunehmen, sei es direkt oder über jemand, der/die mir einen solchen Kontakt vermitteln kann, wofür ich sehr dankbar wäre.

Es versteht sich von selbst, daß alle Kontakte und Gespräche vertraulich behandelt werden.

Wer also sachdienliche Hinweise machen kann, den bitte ich, mit mir Verbindung aufzunehmen:

per email:
schifferkind@lex-icon.eu
Post:
Dr. Wolfgang Preikschat
Salzstr. 1
51063 Köln
oder telefonisch
T. 0221.670 3428

Vielen Dank & beste Grüße
W.P.