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Thema: Katastrophe auf der Donau - April 1918

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  1. #1
    Im ewigen Hafen Avatar von danubenews
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    Standard Katastrophe auf der Donau - April 1918

    Aus dem Rosenheimer Anzeiger vom 10. April 1918

    Die Katastrophe auf der Donau

    "Budapest, 9.4. Der Umfang der Katastrophe, welche der Zusammenstoß der beiden Donaudampfer "Sophie" und "Drina" verursachte, ist weit größer als im ersten Augenblick angenommen wurde. Die Zahl der Toten wird auf 50 - 60 geschätzt. Man befürchtet, daß auch diese Zahl vielleicht noch überschritten wird. Gewißheit wird erst dann erlangt werden, wenn es gelingen wird, den versunkenen Teil der "Drina" auf dem sich angeblich zahlreiche Passagiere im Morgengrauen im tiefen Schlafe befanden und sich daher nicht retten konnten, zu heben. Die Katastrophe wurde dadurch verursacht, daß "Sophie" so heftig mit der "Drina" zusammenstieß, daß sich der Schiffsschnabel in die "Drina" einbohrte und ein Leck verursachte, welches das Sinken des Schiffes zur Folge hatte. Der Kapitän der "Drina" hatte so viel Geistesgegenwart, Rückdampf zu kommandieren, wodurch sein schwerbeschädigtes Schiff bis auf einige Meter ans Ufer gelangen konnte, wo die Passagiere ausgeschifft wurden. Die Direktion der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft gibt zu, daß die Katastrophe durch sträfliche Fahrlässigkeit eines Steuermannes verursacht wurde. Die Untersuchung wird feststellen, welches von beiden Schiffen sich im falschen Fahrwasser befand."

    DRINA befand sich am 7. April 1918 auf dem Kurs Budapest - Semlin talwärts, SOPHIE (DDSG) war zu Berg auf dem Kurs Semlin - Budapest. Angeblich fand die Kollision kurz nach Mitternacht statt, was im Pressebericht nicht bestätigt wird. Offiziell wurden 62 Todesopfer festgestellt - möglicherweise waren es sogar mehr. Die DDSG haftete umfänglich für die den Schaden und regulierte äußerst fair. Der Bericht hierzu liegt vor und wird nachgereicht.


    Bild (2): DRINA nach der Havarie, April 1918, fortepan.

    Klaus Heilmeier

    Bild 3: Dazu passend ,Bericht aus meinem Band XIII "Historisches vom Strom" Seite 12 .
    -otto-
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  2. #2
    Im ewigen Hafen Avatar von danubenews
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    Standard Katastrophe auf der Donau - April 1918

    Zu der großen Havarie sind viele Fragen aufgetaucht, insbesondere zu den Hintergründen der damaligen Personenschifffahrt.

    Anbei einige Belege:

    1) Bild der beiden Havaristen, 1918, Archiv DDSG

    2) DDSG-Fahrplan von 1918 mit dem Kurs Budapest - Zemun (Semlin)

    Der Fahrplan ist aus heutiger Sicht etwas schlecht zu lesen, da der Tag nicht in 24 Stunden eingeteilt ist. D.h., die angegebenen Zeiten zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr früh sind unterstrichen. Der täglich angebotene Kurs begann für die Talfahrt also um 22.00 Uhr in Budapest und das Schiff erreichte am nächsten Morgen um 7.15 Uhr Mohács. Der Dampfer fuhr den Kurs Budapest - Zemun (473 Flußkilometer) talwärts in 24, 5 Stunden. (Geschwindikeit über 20 km/h, da Stehzeiten in Mohács und Ujvidék/Novi Sad/Neusatz festgesetzt waren)
    Die Linie Budapest-Zemun/Belgrad entsprach einem konkret vorhandenen Verkehrsbedürfnis, da die Bahn diesen Bereich nicht erschlossen hatte. (Bahnlinien parallel zur Donau gab es nicht) Insofern war der touristische Aspekt des Kurses zweitrangig.
    Die Dampfer fuhren bei Nacht ohne jede technische Unterstützung; der Strom hatte keine Fahrrinnenbezeichnung. Erste Versuche, Nachfahrten mit leistungsfähigen Schiffscheinwerfern zu unterstützen, wurden erst im Jahre 1918 durch den Fregattenkapitän v. Döbrentei initiiert. D.h., der Lotse musste gute Augen haben
    und beste Kenntnisse über das Fahrwasser besitzen, damit es im freifließenden Strom nicht zu einer Havarie kam. Schlechte Sicht (z.B. bei Nebel, Schnee, Gewitter usw.) führte natürlich zu Verspätungen. Auch DRINA soll verspätet unterwegs gewesen sein.
    Bei den älteren Schiffen, wie bei DRINA, war zudem der Ruderstand - mit dem Steuermann und Lotsen - am Heck (über dem Ruder) situiert, der Kommandant hatte seinen Posten auf Höhe der Radkästen, wo er über ein Sprachrohr die Kommunikation mit dem Maschinenbetriebsleiter sicherstellte. Das Personal befand sich im Freien - Witterungsschutz war kaum vorhanden.

    Die Postschiffe hatten drei Klassen (I. Klasse sowie II. und III. Klasse). Die Fahrt Budapest - Zemun kostete in der I. Klasse 28 Kronen, in der III. Klasse 9 Kronen. (umgerechnet hätte die Krone heute einen Wert von ca. 0,57 €.)

    3) Liste der DDSG Personenschiffe in der Saison 1918

    In der Saison 1918 waren 53 Personendampfer für die DDSG im Einsatz. Erstaunlich ist jeweils die zulässige Passagierzahl pro Schiff, die damals möglich war. Der 1918 schon in Betrieb stehende Personendampfer SCHÖNBRUNN war für die Beförderung von 1 500 Personen zugelassen, DRINA für 540. 1918 beförderte die DDSG mit ihren Schiffen 2 477 212 Personen.

    Quelle: Erste k.u.k. priv. DDSG (Hrsg.), Die Donau von Passau bis zum Schwarzen Meere, Ausgabe 1918, o.O. o.J.

    Klaus Heilmeier
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  3. #3
    Im ewigen Hafen Avatar von danubenews
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    Standard Katastrophe auf der Donau - April 1918

    habe jetzt noch einen Artikel in der Ztg. "Münchner Neueste Nachrichten" vom 10.4.1918 (Abendausgabe) gefunden.
    Obwohl die Zeitungen damals ihren Schwerpunkt in der Kriegsberichterstattung hatten (der I. Weltkrieg war noch nicht zu Ende), war die Havarie auf der ungarischen Donau ein großes Thema.


    "Die Dampferkatastrophe auf der Donau.

    Weder die nun vorliegenden Erzählungen von Augenzeugen, noch die bisherigen amtlichen Erhebungen geben ein völlig klares Bild von der Ursache und dem Umfange des Zusammenstoßes der beiden Dampfer. Wir entnehmen dem amtlichen Bericht folgende Einzelheiten:
    Die "Drina" fuhr, da sie schon am Samstag abends (6. April 1918, Anm.d.Red.) auf der Fahrt von Mohács nach Tass auf eine Sandbank aufgelaufen war, mit großer Verspätung. Die "Sophie" fuhr stromabwärts und zwar vorschriftsmäßig längs des rechten Ufers; weil aber die Station Tass am jenseitigen Ufer liegt, so strebte der Dampfer diesem zu. Bei der Csepeler Insel begegneten sich die beiden Schiffe; sie dürften etwa 80 Meter voneinander entfernt gewesen sein, als der Kapitän der "Drina"wegen der Gefahr eines Zusammenstoßes stoppen und zurückfahren ließ; der Kapitän der "Sophie" hatte wohl ebenfalls Konterdampf gegeben, doch es war schon zu spät. Die "Sophie" fuhr mit voller Wucht in die "Drina".

    Die Zahl der Opfer konnte auch bis jetzt noch nicht einmal annähernd festgestellt werden; insgesamt befanden sich 360 Fahrgäste an Bord der "Drina"; man nimmt an, dass 50 - 60 Tote noch im Schiff sind. Die Fahrgäste wurden einige Minuten vor dem Zusammenstoß durch Sirenensignale aus dem Schlafe geschreckt. Sie verloren zum großen Teil die Fassung und alles drängte besinnungslos den auf das Verdeck führenden Ausgängen zu. Es entstand ein entsätzliches Gedränge und nur die wenigsten konnten das Verdeck erreichen. Der große Teil der Opfer sind Kinder und Frauen. Mit Hilfe von Rettungskähnen sind etwa 50 Personen auf die "Sophie" gebracht worden. Die Kähne waren aber derart überfüllt, dass sie umzukippen drohten, und tatsächlich wurde festgestellt, daß mehrere Personen, die sich bereits in den Rettungskähnen befanden ins Wasser gestürzt sind. Die Erhebungen ergaben, daß im Schutze der Dunkelheit mehrere Leichen ausgeraubt wurden.
    Der Dampfer "Drina" ist ein kleines Schiff, dass bisher bloß im Lokalverkehr verwendet wurde. Die Schiffsraumnot* zwang dazu, auch dieses Schiff für längere Fahrten einzustellen, und es besorgte den Verkehr zwischen Mohács und Budapest. Der Dampfer "Sophie" ist ein größeres Schiff, das bei dem Zusammenstoß unversehrt blieb."

    * 1918 war im zentralen Donauraum zunächst das Jahr der "Hoffnung". Die Friedensschlüsse der Mittelmächte mit Russland (Brest Litowsk, März 1918) und Rumänien (Waffenstillstand Dezember 1917 und Friedensvertrag Mai 1918) sorgten dafür, dass der Donauraum kein Kriegsschauplatz mehr war. Serbien war noch besetzt. Während an der Westfront noch erbitterte Kämpfe tobten, nahm die zivile Donauschifffahrt wieder ihren Betrieb auf. Die "Donau war frei". Insofern entstand ein großer Nachholbedarf nach den gut 3 Jahren, in denen die Schiffsverbindungen unterbrochen war.
    Die Einschätzung der Zeitgenossen, dass dies der Beginn einer Friedensepoche sei, war falsch, da im September 1918 unter französicher Führung ein Feldzug mit ca. 400 000 Soldaten (Franzosen, Engländer, Serben, Russen, Italiener) in Gang gesetzt wurde, der ausgehend von Griechenland das ganze Südosteuropa erfasste (Bulgarien, Rumänien, Serbien/Kroatien) und die die kapitulierenden Truppen der Mittelmächte überrannten.

    Klaus Heilmeier

    jetzt ist aber Schluß - im Österr. Staatslarchiv findet sich sicher noch der abschließende amtliche Abschlußbericht .....
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