Seite 3 von 7 ErsteErste 1234567 LetzteLetzte
Ergebnis 21 bis 30 von 62

Thema: Warum wird man Binnenschiffer?

  1. #21
    Avatar von Tido
    Registriert seit
    17.09.2009
    Ort
    Augustfehn / Ammerland
    Beiträge
    558

    Standard @ Norbert

    ist ja witzig...als Ihr die Havarie hattet (am 30.11.73) ist mir ähnliches passiert...nur eine stunde später....grins..da wurde ich nämlich geboren...

    Gruß Tido

  2. #22
    Avatar von Jürgen F.
    Registriert seit
    07.12.2008
    Ort
    Riesenbeck DEKkm 105.2
    Beiträge
    9.663

    Standard

    Das Matrosenleben beginnt
    Nach der Schifferschule und mit GUT bestandener Prüfung ( Die Note bescherte mir bei der WTAG direkt den Steuermannslohn) ging das Matrosenleben gleich richtig los. Anfang April 1975 hatte ich das Vergnügen auf MS Elbe für eine Reise Vertretung zu machen. Ohweija ohweija. Zwar kannte ich das Schiff, aber das der Schipper mit Spitznamen Promille Willi hieß wusste ich bis dahin nicht. Zu allem Überfluss hatte das Schiff Eisenluken und Eisenmerklinge. Die hatte ich wohl schon mal gesehen, aber noch nie damit gearbeitet. Natürlich ging die Reise nach Rotterdam, mit Kunstdünger ans Seeboot. Da es den ganzen Tag und die Nacht immer wieder regnete gabs direkt den perfekten Untericht. Als wir endlich leer waren konnte ich mir im Stehen unter den Füßen kratzen. Das schlimmste war allerdings der ständig volle Käptn. Bei dem alten Suppkopp musste ich auch noch im Lotsenzimmer schlafen und das bei nem stinklangweiligen Wochenende in Rotterdam. Gott sei Dank konnte ich nach Beendigung der Anschlußreise nach Dortmund ( mit Eisen von Ijmuiden) wieder von Bord. An diese Tour habe ich nur unangenehme Erinnerungen.
    Und schon gings weiter!
    Runter von der "Elbe" und ab an Bord von MS Wilhelmshaven. Auf diesem Schiff hab ich dann in 2 Monaten gelernt wie man einen Laderaum mit Holzluken im Affentempo auf und zu deckt. Das war jedesmal ein richtiger Wettstreit und machte einen Heidenspaß. Leider war ich dort auch nur als Vertretung eingesetztund so kam es, daß ich am 9.07.75 auf die Misburg kam. In Bergeshövede eingestiegen und ohne Überstunden mit Zementklinker nach Mertert.

    Auf der Misburg lernte ich Henry kennen: Ein klein gewachsener Mann um die 40 und eigentlich ein ruhiger Vertreter. Eigentlich...! Bis wir das Wochenende in Mertert verbrachten und den Samstag abend zum Landgang nutzten. Das war Henrys Nacht! Wir hatten beschlossen das Trierer Nachtleben zu erkunden und nach einem ordentlichen Abendessen heiß es: Auf gehts. In dieser Nacht hab ich dann gelernt wie sehr son paar Bierchen einen Menschen doch verändern können. Aus meinem stillen netten Kollegen wurde in kürzester Zeit ein richtiger Terrorist. In einer diversen Bar mit entsprechenden Filmbeiträgen fiel mir das erste mal auf, daß ich statt einem Dackel doch wohl einen Rottweiler als Begleiter hatte. Während wir unser Bierchen genossen, setzte sich ein riesiger Typ an einen Tisch der zwischen uns und der Leinwand stand. Ich vermutete das der wohl ein "Imker" war. Das dumme war das mein Henry nun nicht mehr alles so gut sehen konnte was die Akteure da auf der Bühne trieben und Ratzfatz klopfte er dem Riesen mit aller Kraft auf die Schultern mit den Worten: Musst Du Deine bescheuerte Affenbirne genau in mein Sichtfeld halten? Vielleicht sollte ich Dir die komische Rübe abhacken? Mein Herzschlag war auf null und ich hielt schon Ausschau nach dem schnellsten Fluchtweg und dann kams... Der Typ dreht sich um ( Das totale Boxergesicht nach zig verlorenen Kämpfen ), grinst freundlich und sagt: "Oh Entschuldiging, da hab ich gar nicht drauf geachtet." Der hat mal kurz mit den Fingern geschnipst, 2 Bier für uns bestellt und den Sitzplatz gewechselt. Puuuh...! 10 Minuten später erschien bei uns am Tisch eine sehr stabile farbige Schwalbe und bot uns ihre Dienste an. Auch diesmal klärte mein Henry die Angelegenheit ziemlich aggressiv in dem er die Lady auf übelste beschimpfte.( Alles guckte zu uns rüber). Ich dachte, jetzt fliegen wir raus. Nix war, alles im Lot, die Dame trollte sich und Henry ging erst mal für kleine Königstiger. Der war noch nicht wieder zurück, da startete die Dame von eben noch einen Versuch, diesmal bei mir. Ich konnte die olle Hippe nicht loswerden. Bis Henry kam! Der tippte ihr kurz auf die Schulter und als sie nach hinten schaute hat der ihr voll aufs Auge geschlagen. Die Gute landete genau bei dem netten Boxer von vorhin auf dem Tisch und ich dachte nur: "Beten hilft Dir jetzt auch nicht mehr". Wieder gut gegangen, uns passierte gar nichts. Nur die Frau kam nicht so gut dabei weg. Anscheinend gehörte sie wohl zum Bienenvolk des Imkers mit dem Boxergesicht und wurde von diesem fachgerecht entfernt.Und was macht mein Henry? Wartet bis der Typ wieder da ist und fordert den direkt auf einen auszugeben wegen der Unannehmlichkeiten. Boah ey... das hat der tatsächlich gemacht. Damit wurde mir der Boden echt zu heiß unter den Füßen und ich überredete meinen kleinen stillen Kollegen Henry mit an Bord zu gehen. Also ein Taxi gerufen und ab. Nur wollte der Fahrer uns aus irgendwelchen Gründen nur bis zur Grenze bringen und so machten wir den Rest zu Fuß. Ein schöner Spaziergang kurz vor Sonnenaufgang bei herrlichem Sommerwetter. Dachte Ich! Bis Henry am Moselufer einen Bauwagen entdeckte, der unbedingt in den Fluss musste. Gott sei Dank hat das nicht so geklappt wie er sich das vorgestellt hatte. Die letzten 200m bis an Bord! Ich bin mal kurz zum Pinkeln an einer Ecke stehen geblieben und Henry war weiter gegangen. Nichtsahnend kam ich dann aufs Hafengelände, wo mir ein unbemannter Radlader entgegen kam der Richtung Kaimauer fuhr und kurz dahinter ein freudestrahlender Henry. Ich weiß nicht wie, aber ich habe das Ding anhalten können. Der wäre über die Mauer und auf die Roof der Misburg gedonnert und aus was für einer Höhe.Das auch noch Sonntagsmorgen um kurz nach vier.
    Endlich an Bord...
    Falsch gedacht! In der Zeit wo ich diesen Radlader abgestellt hatte, meinte Henry er müsse unbedingt einen ca. Kopfgrossen Findling auf das Roofdach der Eurydyke ( oder Aphrodite ) befördern. Am liebsten hätte ich den Idioten hinterher geworfen, aber ich hab lieber das Weite gesucht und bin erst 2 Stunden später an Bord gegangen wo dieser Volltrottel auch noch die Tür von innen abgeschlossen hatte. Auf Landgänge dieser Art konnte ich sehr gut verzichten und hab dann Ende August das Schiff gewechselt. Der kleine Dackel ist jedesmal beim Bierchen völlig ausgerastet. Also nix wie weg.
    Fortsetzug folgt.

    Schöne
    Grüße Jürgen F.
    Wer nicht ans Ruder darf, der wird auch das Fahren nicht lernen

    https://www.juergens-schiffsbilder.de/

  3. #23
    Administrator Avatar von Stadt_Aschaffenburg
    Registriert seit
    05.07.2008
    Ort
    Kefenrod
    Beiträge
    6.106

    Standard

    Aaaaaaaaaaaaaaaaaah
    Was hab ich jetzt gelacht.

    Ich kann mir das richtig bildhaft vorstellen, wie der "Dackel" die ganze Zeit Scheiße baut und du ihn versuchst, zur Vernunft zu bringen... Mann Mann Mann.... GEIL!

    Aber mal echt - das läßt einen in einer Nacht um Jahre altern...
    ....aber es liest sich prima ;-)

    LG
    Micha
    MeinlieberHerrgehneikommrausbleibdrin

  4. #24

    Standard

    :D:D:D
    Klasse Geschichte. Ich kann mir nicht helfen - irgendwie hat das so bisschen was von einer Komödie... :)
    Bin schon gespannt auf die Fortsetzung.

    LG
    Nadine

  5. #25

    Standard

    Jou, ich musste auch lachen, kenne ich doch ähnliche Geschichten auch, nur haben die weniger mit Schif(f)fahrt zu tun

    Gruß vom Antiakoholiker Horst

  6. #26
    Avatar von Jürgen F.
    Registriert seit
    07.12.2008
    Ort
    Riesenbeck DEKkm 105.2
    Beiträge
    9.663

    Standard

    Ein Jahr auf MS Hermann Wenzel

    Meine Fahrzeit auf der Misburg endete schlagartig am 26.08.1975 nach einer recht stürmischen Auseinandersetzung mit dem Schiffsführer. Zu dieser Zeit war ich in einem Alter, wo Brüllerei von Seiten der Führung eine sofortige Abmusterung meinerseits zur Folge hatte und so kam es das ich von Datteln direkt nach Dorsten fahren konnte um auf der Hermann Wenzel weiter zu machen. Solche Sachen waren bei der WTAG absolut kein Problem sofern man sonst als zuverlässig bekannt war. Da die Misburg eh jede Menge Zeit hatte ( Petrolkoks für Rheinfelden, ohne Überstunden ) und H. Wenzel mit Terminladung nach Antwerpen musste konnte ich sogar noch den Retter in der Not spielen. Das schönste war, daß Antwerpen beedeutete: Überstunden - Geld verdienen. Feine Sache.
    Dachte ich... 28.08. Ankunft in Antwerpen und dann...? Schipperstreik!!! War wohl nix. Bis zum 19.09. lagen wir dort rum. Aber trotz allem wars ne tolle Zeit. Wir haben damals sogar Fussballspiele organisiert wie Deutschland - Schweden etc. und haben jede Menge Spaß gehabt. Nebenbei bemerkt war die WTAG eine sehr soziale Firma die uns während der Liegezeit mehrmals mit Super Fresspaketen versorgte, wobei das deutsche Brot der wichtigste Artikel war. Wieder einmal hatte ich das Pech einen Berufsalkoholiker als Kollegen zu haben. Den hat mein jugoslawischer Schiffsführer allerdings recht schnell entsorgt und durch einen Kollegen in meinem Alter ersetzen lassen. Das war schon mal nicht schlecht: Mit 18 Jahren als erster Mann fahren, das war schon was! Leider entwickelte sich der neue Kollege in rasendem Tempo zu einem Faultier ersten Grades, welches auch nur die Sauferei im Kopf hatte. Was nutzte es, auch der wurde gegangen und durch Christian ersetzt. Der war Schiffsjunge im dritten Lehrjahr, schiffisch bis zum abwinken und bei jedem Blödsinn mit dabei. Ab jetzt liefs wie geschmiert. Wir haben zwar jede Menge Unfug gemacht und auch recht ausgedehnte Landgänge unternommen, aber unser Schiff war in Ordnung und sauber.
    Anfang Mai 76 lagen wir mit Kohle an der Pier 5 in Rotterdam und haben aufs Seeboot gewartet. Die Wartezeit zog sich fast 3 Wochen in die Länge. Zu der Zeit wurde gerade die Fusion der WTAG und der Stinnes über die Bühne gebracht und da wir mit etlichen Schiffen der WTAG und der Fendel & Stinnes auf das Boot warteten, hatten wir Gelegenheit die neuen Kollegen ausgiebig kennen zu lernen. Jeder kann sich wohl vorstellen, was wir da für einen Spaß hatten. Wie gesagt, die Schiffe waren alle in Ordnung und irgendwie musste man sich ja die Zeit vertreiben. Das klappte immer wieder gut mit Kartenspielen und einigen erstklassigen Grillveranstaltungen. Auch diverse Landausflüge am Sonntagvormittag Richtung Rotterdam City waren im Programm. Die Zeit war super.
    Ein sehr störender Faktor bei unseren Aktivitäten war allerdings ein recht stinkiger WTAG Schiffsführer. der es überhaupt nicht leiden konnte wenn die Knechte ( Matrosen ) morgen um 7 noch nicht an Deck waren. Dieser fiese alte Drecksack hatte einen Mordsspaß daran mit seinen erbärmlichen Holzschuhen morgens um 5.30 Uhr auf den Vorschiffen rum zu trampeln um das Fussvolk aus dem Bett zu schmeißen. Gerne hätten wir den alten Stinkstiefel mal baden lassen, aber das macht man halt nicht mit alten Leuten. Der Kacker war damals so um die 60. Also mussten wir uns was anderes ausdenken und nun kam mein Kollege Christian ins Spiel ( Hihi ). Der alte Berufsnörgler, der im übrigen bei seinen Leuten so beliebt war wie Hämoroiden, stellte jeden Abend seine Holzpantinen zum Lüften auf ein Holzrost vor seiner Wohnungstür. Das war was für Christian! Als es richtig dunkel war hat er die Holzschuhe samt Abstellplatz in unseren Maschinenraum gebracht und die Dinger richtig schön fest verschraubt. Das hätte als Rache eigentlich gereicht, wenn wir nicht so viele Geschädigte gewesen wären ( Während der Anschraubaktion waren etwa 20 Leute bei uns im Maschinenraum!). Also musste die ganze Angelegenheit noch aufgewertet werden in dem man an der Wohnung unseres nicht bestellten Weckdienstes sämtliche Fenster schön fingerdick mit Kohlenteer vollschmierte und darauf noch schöne Bildchen draufpappte die aus nicht jugendfreien Heftchen stammten. Die ganze Aktion fand in der Nacht von Freitag auf Samstag statt und war so gut geplant, daß die beiden Matrosen des Schinders schon Freitag mittag nach Haus gefahren sind.
    An einem schönen Samstag morgen an der Pier 5 in Rotterdam waren morgens ab 5.00 Uhr sämtliche Matrosen wach und in Lauerstellung. Da kein Licht mehr in seine Wohnung kam wurde der Knallkopf erst so gegen 6.30 Uhr wach und kurz drauf gings ab: Rein in die Holzpantinen? Nee, hat nicht so richtig geklappt. Da die Wohnung ja innen total dunkel war und draussen die Sonne schien hat der erst gar nicht gerafft was los ist. Da gabs erst mal ne 5 minütige Schreierei, bis er dann seine Fenster von außen gesehen hat. Und ab da wars ruhig. Ratet mal wie der das Wochenende verbracht hat? Richtig, mit ganz viel Benzin! Mir hat er dann doch ein wenig leid getan, aber wirklich nur ein ganz kleines bischen.

    Fortsetzug folgt

    Schöne Grüße
    Jürgen F.
    Wer nicht ans Ruder darf, der wird auch das Fahren nicht lernen

    https://www.juergens-schiffsbilder.de/

  7. #27

    Schweiz Warum wird man Binnenschiffer?

    Text in 2 Teile! – „Teil 1“

    Hallo Miteinander

    Ja, „warum wird man Binnenschiffer“?
    Eigentlich wollte ich ursprünglich „Landschaftsgärtner“ werden – mir hat das Arbeiten als Jüngling „Draussen“ immer gut gefallen! Nachdem ihr diesen Beitrag gelesen habt, versteht ihr, WARUM ich „Binnenschiffer geworden bin! Diese „Berufung“ lässt mich nicht mehr los - mich zieht es auch (wenn möglich) immer gleich in den Hafen oder Fluss/See einer Stadt….. .

    Auf dem Land aufgewachsen – wusste bei uns eigentlich Niemand so recht, WAS „Binnenschifffahrt“ resp. „Rheinschiffer“. Habe bereits in einem andern Beitrag erwähnt - da gab es keine „Schifffahrt“ in diesem Sinne! Damals hatten die Leute immer noch eine etwas „altmodische“ Auffassung, WAS Schifffahrt wäre. Z.B. Frühmorgens mit dem Ziegelstein das Deck schrubben…. (wie in alten Seeräuberfilmen). Ohne den anderen, damaligen Reederein nahezutreten - diese Reederei war damals der Inbegriff der „Schweizer Schifffahrt“.

    Der „Beruf Rheinschiffer“ wurde in der Schweiz erst gegen Mitte de Siebziger-Jahre anerkannt.

    D.h., die damalige „Schifffahrtsschule“, welche vornehmlich von der „Schleppi“ (ehem. „Schweizer Reederei - „die Roten“) geleitet und organisiert wurde, hat sich mit „Bern“ (Schweizer Regierung) zusammengesetzt und ein Konsortium von verschiedenen Reedereien gegründet. Viele von diesen „Reedereien“ gibt es immer noch – andere haben fusioniert, fusioniert und fusioniert (also „wegrationalisiert….) oder sind andersweitig von der „Bildfläche“ verschwunden.

    Meines Wissens waren das damals vor allem folgende Firmen, die die Schiffsjungen an die Schule sandten (Angaben ohne Gewähr und nicht vollständig):
    Schweizerische Reederei AG, Neptun Transport & Schifffahrt AG, Natural van Dam AG, Geldner AG, Reederei Zürich AG (Migros), Lauter AG, Lloyd AG, Silag AG (St. Johann Lagerhaus & Schifffahrt AG = Coop), Spedag AG, Ultra-Brag AG, Rhenus AG, Ruhr & Saar Kohle AG, Navis Schifffahrt AG, Bragtank AG – (die heutige „Bragtank AG“ hat mit der „alten“ insofern „Nichts am Hut“, weil diese Firma vor ein paar Jahren „Neu“ gegründet wurde. Der „Direktor“ und sein Vater sind früher selber bei der (alten) „Bragtank AG“ tätig gewesen. Die Flagge, „Reedereifarbe“ usw. wurden 1:1 übernommen – es lebe die „Bragtank AG“!)

    Wie gesagt - einige der „Damaligen“ existieren noch Heute - andere sind schon „seit Jahren“ weg!

    Mein damaliger Lehrer meinte, als ich sagte, dass ich - wie mein Bruder – auch „Rheinschiffer“ lernen möchte, „das sei doch kein Beruf“…… - ich solle doch lieber „etwas Gescheites“ lernen…….!!!!

    Als sich Anfang der Achziger-Jahre – die Reedereien verkauften viele ihrer Schiffe; die Firmen wurden nach und nach „aufgelöst“ - ein paar Kollegen beruflich verändert hatten (viele gingen in die „Chemie“, andere wurden „Trämlichauffeur“ usw.), musste ich oft hören, „dass die Einzigen, die es überhaupt jemals „im Beruf“ zu etwas gebracht hätten, wären „Sie“ (die eben in Klammern aufgeführten – ohne Jemanden exiplit beim Namen zu nennen)………!

    Gerade auch „DESHALB“ bin ich – können wir – stolz auf unseren Beruf sein; auch Heute noch!

    So, nun zurück zu meinem Entschluss, „Binnenschiffer“ resp. „Rheinschiffer“ zu werden.

    Da jeder vor Ende der obligatorischen Schulzeit eine „Schnupperlehre“ machen musste, sagte mein Bruder – „mach doch die Schnupperlehre bei mir an Bord“! Auch nicht abgeneigt war die „tolle Belohnung“. „an Land“ bekam ein Schnupperlehrling damals im Normalfall keine Entlöhnung (Sackgeld). Bei der „Schleppi“war es sogar so, dass man anteilig den Lohn eines Schiffsjungen im 1ten Lehrjahr bekam! Da war ich gleich „reich“ –Juhuuuu!

    Gesagt, getan – für einen rund Fünfzehnjährigen war die Einladung von „Freiheit und Abenteuer“ – das erste Mal „richtig“ von zu Hause weg zu kommen - DIE Gelegenheit…..! „Landschaftsgärtner“ konnte ich ja nach der Schnupperlehre immer noch werden…… – aber diese Gelegenheit wollte ich doch wahrnehmen. So wurde mein erstes Schiff die (riesengrosse) „Gafluna“ (67x7.20, 696 Ts).

    Ich vergesse meine ersten Stunden an Bord nicht mehr!
    Es war Sommerwetter. Nach einer Anreise am Vortag schlief ich an Bord – für mich das erste Mal! So gegen Halb-4- Uhr musste ich – zusammen mit dem Schiffsjungen – aufstehen. Mein Bruder (in diesem Forum unter „Adrian“) war damals im 2ten Lehrjahr und fuhr schon als Matrose – konnte also ein paar Minuten länger schlafen…….!! Dass er „gut“ war, zeigte er schon damals - bei der Abschlussprüfung war er „der Beste“ von seinem Abschlusskurs; ja sogar „einer der Besten der letzten Lehrlings-Jahrgänge“ von allen damaligen Lehrlingen des Kanton Basel-Stadt und kam so „in den Rang“. Ihr müsst Euch vorstellen, dass damals 2 Kurse (Frühling und Herbst) mit je 24 Schiffsjungen pro Jahr ausgebildet wurden – heute existiert die „schweizerische Schifffahrtsschule“ nicht mehr….. . Die Auszeichnung „im Rang“ war schon etwas Besonderes!

    Ankleiden – Zähne putzen und Rasieren war zu jener Zeit nicht angesagt resp. nötig….!
    Zuerst gab mir der Schiffsjunge die Kaffeemühle (Handmühle) und ganze Kaffeebohnen – diese durfte (musste) ich dann mal „schnell“ von Hand mahlen - eine „aufreibende“ Schweissarbeit so kurz nach dem Aufstehen….. Der „Schmelzer“ pumpte zuerst mit der Handflügelpumpe“ genügend Trinkwasser in den „Drucktank“ (das langte für ein paar Liter…..) – und setzte in der Zwischenzeit während ich mahlte das Wasser für den Kaffee (Filterkaffee) auf den Gasherd (das war ja ein modernes Schiff…….).

    Dann liefen wir im (schmalen) Gangbord nach Hinten – zum Maschinenraum.

    Kurze „Maschinenkunde“:
    Der „Schmelzer“ zeigte mir einiges - im Maschinenraum gab es „Frühsport“ – ich musste bereits „so früh“ „Turnen“ – das ist für die „Unwissenden“ ein Vorgang, um einen „Wasserschlag“ der Maschine zu verhindern. Dazu musste ich zuerst die „Indikatorhahnen“ öffnen und dann eine schwere Eisenstange in die in eine Art „Schwungscheibe“ vorgesehenen Löcher einstecken und damit die Kurbelwelle um mind. 360-Grad (d.h. es waren 2 volle Umdrehungen nötig) drehen und zuletzt auf den „Anlasspunkt“ stellen. Ja, nicht vergessen, die „Schaltstange“ zu entfernen……!!!! . Auch die „Indikatorhahnen“ mussten wieder fest verschlossen werden - dazu brauchte man einen speziellen „Hackenschlüssel“, ansonsten würde die Hahnen (Ventile) während dem Betrieb von selber geöffnet. Da zischte und funkte es aber gehörig…..

    In der Zwischenzeit hat der Schiffsjunge das Motoren- und Getriebeöl der „6TW-Sulzer-Zweitakt-Dieselmotoren“ kontrolliert, den „Boschöler“ 20-25ig-Mal durchgedreht und aufgefüllt. Noch eben das „Boschöler-Gestänge“ (der Schmierapparat war ein (damaliges) „techn. Wunderwerk“) abschmieren. Dann das „Lageröl“ (der Maschine resp. deren Gleitlager) auf Oeldruck pumpen, damit es keine Schäden durch „ungeschmiertes drehen“ (die Lager sind ja über Nacht trocken gelaufen) geben konnte.

    Nun musste das „Seeventil“ geöffnet werden. Das ist das Ventil, welches die „Verbindung zum Flusswasser war und für die Maschinendurchlaufkühlung (Aussenbordkühlung) nötig ist. Die „Oberlichter“ – damit genügend „Frischluftzufuhr“ für die Maschine war - blieben während dem Löschen noch zu.

    Schlussendlich musste man die „Tourenregulierung“ auf Position „2“ stellen, kontrolliert werden, ob das „Kompressorsaugventil“ zu war und auch Kontrolle, ob das „Wendegetriebe“ auf „Stop“ und vor allem dass die „Wellenbremse“ (siehe dazu mein Beitrag vom 28.12.2009) offen war. So – nun war die Maschine „klar“ zum Starten – das haben wir aber noch nicht gemacht, weil wir ja bereits „unter dem „Kran 8“ (= heute CONTEBA) im Basler Hafenbecken 1 lagen. Damals war der Hafen an dieser Seite noch mit „schräger Böschung“ – das hiess, beim „Verholen“ den „Schwenkbaum“ benützen!

    Das „Starten“ (ging nur im Maschinenraum) war auch eine aufwendige Prozedur – es mussten „offiziell“ genau 10 Punkte befolgt werden…..! Dann gab es nochmals 4 „grosse Punkte“ während dem Betrieb, sowie 8 „Hauptpunkte“ mit nochmals rund 5 „Nebenpunkte“, wenn man die Maschine „nur für kurze Zeit“ abstellen wollte. Beim „Feierabend“ musste man eine Abfolge von 15 ! Hauptpunkte“ mit rund 4 „Unterpunkten“ abhandeln. Die Liste der „wöchentlichen Kontrollarbeiten“ beinhaltete 16 ¨“Hauptpunkte“. Die „zwei-wöchentlichen Kontrollarbeiten“ beinhalteten „nur“ 5 “Hauptpunkte“. Was aber sehr wichtig war – während dem Betrieb musste man „alle 2 Stunden“ 6 „Hauptpunkte“ (u.a. von Hand mit der „Flügelpumpe“ Gasöl vom Haupttank in den Tagestank pumpen und die „Boschöler“ mit der Kanne (bei einigen Motortypen) mit Öffnen eines Absperrventil) Schmieröl auffüllen und die „Schnüffelventile“ sowie die „Seefilter“ immer wieder kontrollieren, einstellen resp. sauber machen. Puhhhhh… - damals waren wir nicht nur „Matrosen“ sondern eigentliche „Maschinenspezialisten“!!!!!!! Dann freuten wir uns auf das „Schlitzenputzen“ (nicht im Jungbusch….. – das holten wir später nach…..) – weil es im Maschinenraum dann „ruhig“ war (Maschine war gestoppt). Vor allem, wenn wir (auf den Stromer-Serien) bis zu zwei Schleppschiffe geschleppt haben, war das nötig Dann war die Belastung extrem gross – die Maschinen setzten direkt beim „Auslassschlitz“ eine harte „Teerkruste“ an, welche abgekratzt werden musste, damit die Maschine genügend Luftausstoss machen konnte und nicht „zu rauchen“ begann. Dann noch eben die „Stopfbüchse“ anziehen oder sogar „Talgstränge“ ins „Stevenrohr“ reindrücken. Alles klar?

    Nachdem die „Maschine klar“ war,
    zeigte mir der Schiffsjunge, an welchem Fenster ich den Schiffsführer wecken musste – das durfte nicht „grob“ geschehen, ansonsten wäre der erste „Anschiss“ schon programmiert gewesen.

    Dann die „Schweizer Flagge“ am Heck hochziehen – nach Vorne laufen – dort die „Reedereiflagge“ an Steuerbordseite in den Hauptmast hochziehen. Ja, liebe Leute – damals ging die Flagge „jeden Morgen“ hoch und jeden Abend (beim Eindunkeln) wieder runter.

    Alleine das Prozedere des „Flagge rauf- und runter“ ist (war) ein spezieller Ablauf:
    Die Flagge wurde nach einem ganz speziellen Verfahren „aufgerollt“. „So“ konnte man die Flagge (vor allem bei starkem Wind) – ohne dass diese irgendwo in den „Stagen“ verhedderte, komplett bis zum Anschlag nach oben ziehen und dann „Entfalten“. Beim Runterholen der Flagge musste man darauf achten, dass diese nicht auf Deck, sondern von der Flaggenleine direkt auf die Schulter kam. Schliesslich wurden die Flaggen „sehr ehrenvoll“ behandelt!

    Nachdem die Flaggen „Oben“ waren und auch der Matrose geweckt war kochte auch das Wasser für den Kaffee:
    Filter in den Filterbecker – 6 Suppenlöffel Kaffe mit einem Kaffelöffel „Frank-Aroma“ und „einer Prise Salz“ – das Wasser immer „rundum“ um den Filterbecher“ aufgiessen und darauf achten, dass das Wasser immer wieder kurz auf dem Gas aufgeheizt wurde….. . Mhhhhhhhh -als erster bekam der Matrose eine Tasse, dann der „Schmelzer“ und ich als „Schnuppi“ als Letzter. Dafür durfte ich auch nachher abwaschen…….

    Vorher mussten wir aber auf Deck - das Schiff musste „vierkannt“ aufgedeckt“ werden! Ich als „Schnuppi“ musste die „Schmelzerarbeit“ übernehmen und gleich (das erste Mal) auf dem Hauptscherstock“ balancierend – bewaffnet mit Drahthandschuhen und zwei langen „Eisenhaken“ je einen Luckendeckel von Steurbord- resp. Backbordseite anpacken und im Gleichtakt mit dem Matrosen resp. dem „Schmelzer“ auf das „Herft“ legen. Eine Stunde „Schwerstarbeit“ war angesagt. Nachdem die Luckenstapel fachmännisch gesichert und ………..waren, ging es gleich los mit dem „Löschen“ der Ladung (Weizen).

    Bis wir in den Raum steigen mussten, um sogleich mit den letzten Tonnen die „Strau und die Spanten – auch unter dem Gangbordwinkel“ beizufegen. Dauerte es eben.

    So hatten wir Zeit, um zu Frühstücken – es gab Spiegeleier mit Speck, welches der „Schmelzer“ zubereiten musste (deshalb kommt ja (wie bereits im Forum zur genüge „diskutiert“) das Wort „Schmelzer“!

    Vortsetzung in „Teil 2“

    Mit schiffischem Gruss von Leunam

  8. #28

    Schweiz Warum wird man Binnenschiffer?

    Vortsetzung: Text in 2 Teile! – „Teil 2“


    Im Laderaum:
    Ich vergesse nie mehr „wie gefährlich“ diese Arbeit „Beifegen“ sein kann! Ich als „Neuling“ hatte sicherlich „mehr Glück als Verstand“ – wie schnell kann man unter den Greifer kommen oder von demselben eingequetscht werden! „Mund-/Nasenschutz“ – was ist (war) das? Im grössten Staub (vor allem durch das „Beifegen“ entstand im Raum eine extreme „Staubwolke“. Das Duschen am Abend war dann sicherlich angebracht….. .
    Wenn ich mir Heute die Situation vorstelle – wenn der Greifer im Laderaum ist, darf man nicht im Raum sein. Die Löschfirma stellt einen „Bobcat“ rein – nach dem Löschen nimmt der Matrosen den (Hochdruck) Schlauch und „schwupp“, der Raum mit der Eisenstrau (ohne Spanten und und und) ist in „nullkommanix“ wieder sauber – das Wasser samt den paar übrig geblieben Ladungsresten ist im „Auffangloch“ gesammelt. Ein Eimer und alles ist klar!
    Alleine das „Ausspritzen“ des Laderaum’s (das wurde aber wenn möglich vermieden – Holzstrau) während der Fahrt war damals eine Herausforderung. Nebst dem ohnehin oft „spärlichen“ Wasserdruck ging der Druck (durch Lufteinschluss oder dem langsam drehen der Hauptmaschine) soweit zurück, dass es nur noch so aus dem Schlauch plätscherte. Auch war das Herauspumpen eine weitere Herausforderung. Die „Ruschpumpe“ lief oft nicht an – oder sie sog Luft an. Das war oft ein „stundenlanger Kampf mit der Technik“.

    Nachdem wir am Nachmittag leer waren, fuhren wir zu Tal - Die Talfahrt hat begonnen:
    .
    Ich staunte über die vielen Schiff im Hafen. Das war für mich ein besonderes Erlebnis – vor allen, als der Schiffsführer auf die „Fleute“ (dreimal lang, einmal kurz) trat! Ich stand zufälligerweise genau unter der Fleute – fast wäre ich „vor Schreck“ (oder vom Luftdruck…) über Bord gefallen…..!

    Meine erste „Arbeit“ auf der Talfahrt war das „Reibholz“ halten - die erste Schleuse (Kembs) kam in Sicht. Meine zweite Aufgabe - das weiss ich noch ganz genau – war das Entrosten der Relingstützen. Ich hatte meinen Arbeitsplatz – welchen ich auch am nächsten Tag bis am Abend nur noch zum Schleusen und zum Mithelfen zum Kochen verlies. Eine ganz „verantwortungsvolle“ Aufgabe - dachte ich! Ich war richtig stolz, bereits eine „eigene Arbeit an Deck“ zu haben……. .

    In Strabourg habe wir Kali für nach Antwerpen geladen.
    Alleine über „meine erste Reise“ könnte ich noch ein paar Seiten schreiben. Eines der eindrücklichsten Erlebnisse, welches mir noch Heute „vor Augen“ ist, war, als ich die Hafenstädte Antwerpen und Rotterdam zum ersten Mal sah! Kräne, Schiffe, Kräne, Seeschiffe, Kräne, usw. usw. – wo man hinsah! Kitschiger konnte ein Seemannfilm kaum beginnen - das aber in einem anderen Bericht!

    Die Arbeiteinteilung war bereits seit dem ersten Tag „geregelt“ – ich war der „Unterhund des Schmelzers“ – ausser mein Bruder als Matrose oder sogar der Schiffsführer brauchte „meine Dienste“ für andere Arbeiten….. . Tja, so ist – oder war - es halt auf der Schifffahrt…….. . (siehe dazu auch den Beitrag von „Adrian“ vom 17.01.2010 „noch härtere Zeiten…..“ – „Leibeigenschaft“).

    Trotzdem, ich fühlte mich nicht als „Neger“ („Neger“ war ein Ausdruck, welcher man damals noch gebrauchen durfte – Heute ist das ja verpönt – obwohl, ich liebe diese „Dickmanns“…….)

    So, liebe Kollegen. Da ich „so schöne Erinnerungen“ von meinem (Eurem) Beruf hab – versteht ihr sicherlich, WARUM auch ich eben „Binnenschiffer“ geworden bin, oder?

    Mit schiffischem Gruss von Leunam

  9. #29

    Schweiz Warum wird man Binnenschiffer?

    Zitat Zitat von LEUNAM Beitrag anzeigen

    Eine Stunde „Schwerstarbeit“ war angesagt. Nachdem die Luckenstapel fachmännisch gesichert und ………..waren, ging es gleich los mit dem „Löschen“ der Ladung (Weizen).

    Text in 2 Teile! – „Teil 1“

    Hallo Miteinander

    Habe einen Teil des Textes (in „fett“) im letzten Teilabschnitt von „Teil 1“ vergessen:
    Eine Stunde „Schwerstarbeit“ war angesagt. Nachdem die Luckenstapel fachmännisch gesichert und
    die “Notscherstöcke“ sowie die“ Hauptscherstöcke“ und zuletzt die „Märklinge“ herausgenommen
    ……..waren, ging es gleich los mit dem „Löschen“ der Ladung (Weizen).

    Mit schiffischem Gruss von Leunam

  10. #30
    Historische Bilder Avatar von Ernst
    Registriert seit
    26.12.2007
    Ort
    Leutesdorf
    Beiträge
    6.754

    Standard Warum wird man Binnenschiffer?

    Hallo Leunam, wie ich sehe (lese) hast Du Dein Handwerk noch nach der "guten alten Art" gelernt !
    Ich übrigens auch und habe es bis heute nicht bereut auch wenn ich nicht mehr in dem Beruf tätig bin.

    Gruß Ernst
    Wer glaubt alles zu wissen ist dumm. © by E.Krobbach

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •