Wie Hannibal sagt, das schöne behällt man, das schlechte vergisst man.
Aber ab und zu bleibt auch was schlechtes in Erinnerung.
Nach der Bundeswehr mit 20 Jahren hatte ich eigentlich keine Lust mehr, zu Fahren. Damit wird man aber seiner Reederei untreu und zum "Verräter" gestempelt. Es kam, wie es kommen musste, nach etwa 3 Monaten "an Land" kam ich, wie andere sagten, "pleite und auf den Knien zurück". Und das bekam ich auch zu spüren. Als Hafenablöser wurde ich auf ein Schiff eingeteilt, welches an der Werkstatt in der grossen Revision lag und eine neue Wohnung bekam. Der Schiffmann hat so eine ausgesprochene Preussische Art an sich, obwohl er aus Östereich kam. (kommt mir noch so ein Vogel in den Sinn). Der musste mich wieder auf den Pfad der Tugend bringen, in dem er mir den Auftrag gab, die Schiffshölle, das ist der leere Raum zwischen dem Schiffsboden und der Wohnungsunterseite, zu streichen.
Eigentlich war das gemäss unserem Gesamtarbeitsvertrag eine Werftarbeit, welche Spezialisten in Spezialanzügen und Atemmasken durchführten. Ich rebellierte natürlich, unser Schiffmann holte aber gleich noch den "Herrn" Schiffsinspektor dazu. Wir drei führen dann ein Gespräch unter "4 Augen".
Mann, so ein Zusammenschiss habe ich noch nicht mal bei der Armee gefasst. Von Schweinehund und Arbeitsverweigerung und fristloser Kündigung war die Rede.
So stieg ich halt durch das kleine Einstiegsloch runter, und habe mit der Handlampe angefangen die Hölle mit der überall verwendeten grauen Laderaumfarbe zu streichen. Von einer Lüftung des Raumes war keine Spur.
Abends kam ich in die Wohnung an Land, wo wir (ein paar Rheinschiffer) eine WG hatten. Der Kollege fragte mich, ob ich gesoffen hätte, ich lalle, und hätte starken Mundgeruch. Ich ging schlafen, und war anderntags pünktlich wieder an Bord. Unser Kapitän wartete schon und grinste hämisch: " Du weisst ja, wo dein Platz ist".
Ich ging wieder runter und streichte weiter. Von da an weiss ich nichts mehr.
Die andern erzählten mir aber wie es war:
Die 2 Schiffschreiner, welche die Wohnung machten, wunderten sichgegen 10 Uhr, dass sie nichts mehr hörten. Einer stieg runter und fand mich bewusstlos über den Spanten liegend. Die zogen mich aus diesem Loch auf Deck. Der eine Schreiner, ein ehemaliger Seemann (mit grossem schwarzem Bart) hat sofort angefangen mit der Mund zu Mund Beatmung. Nach 20 Minuten war der Krankenwagen da. Die fuhren mich schleunigst ins Krankenhaus. Begleitet wurde ich noch von meinem treusorgenden Schiffmann.
Ich kam jedenfalls irgendwann nachmittags gegen 17:00 wieder zu mir, in der Intensivstation, umgeben von vielen piepsenden Geräten.
Das erste, was ich sah, war der Schiffmann in seinem blitzblank, sauberen Blaumann. Er sagte demonstrativ vor den anwesenden Krankenschwestern und Ärzten: "Schön, dass Du wieder da bist, jetzt gehe ich an Bord, und muss halt alleine weiterstreichen"
Einer der Ärzte sagte mir, sie hätten in gefragt, mit was für Farbe ich gearbeitet habe (Ölfarbe, 2 komponenten, Blei-menninge oder so). Seine Antwort war einfach: "Es war graue Farbe". Der "Herr" Schiffsinspektor konnte den Ärzten am Telefon auch keine weiteren Auskünfte über die Zusammenstzung dieser Farbe machen, obwohl er ja jedes Jahr mehre Tonnen von dieser Farbe für die Firma einkaufen musste.
Der Schiffmann fuhr am Nachmittag mit dem Taxi in den Hafen runter, nahm eine Probe mit und fuhr zurück ins Spital. (Taxikosten ca CHF 30.- Reederei bezahlte)
Vom Spital aus ging dieses Farbmuster mit dem Taxi nach Zürich ins Toxikologische Institut. (Taxikosten CHF 260.- Versicherung bezahlte)
Endlich wussten die Ärzte, dass diese Farbe ein Nervengift drinn hatte, welche Herzrythmusstörungen erzeugte. Und der Nitroverdünner verätzte Teile der Lunge, die sich aber in den nächsten 20 Jahren wieder regenerierte.
Fazit: 6 Tage Intensivstation und 4 Tage Herzabteilung, und das mit 20 Lebensjahren. Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, stieg ich ins Taxi und fuhr in meine Wohnung (Taxikosten CHF 14.80 wurde mir auf der nächsten Lohnabrechnung abgezogen, der Buchalter meinte, dass um diese Zeit sei ja schliesslich die Strassenbahn gefahren.)
Etwas habe ich noch in Erinnerung und es auch gleich meinen Freunden erzählt:
auf der Fahrt mit dem Krankenwagen (Tatü Tatü) sah ich mich von oben. Ich bin überhaubt nicht religiös, aber was ich das erlebte, ist genau so wie es in der letzten Zeit ab und zu beschrieben wird.
Alles war hell und weiss und wohlig warm. Ich sah uns von oben, dass der Krankenwagen beihnahe mit einem roten Ford Fiesta zusammengstossen war. (Das mit dem roten Ford wurde mir nachher vom Fahrer bestätigt.)
Warum sah ich die Farbe des Autos, ich war ja innen drin und weg.
Vielleicht schon zu weit weg.
Gruss
Adrian