3. Kapitel

Die "Alsterufer" war ein besonderes Schiff, denn die gesamte Besatzung schlief Mitschiffs, das kannte ich noch nicht. Auf anderen Schiffen war die Mannschaft von Deck und Maschine auf dem Achterdeck untergebracht, nur die Offiziere und Ings schliefen Mitschiff, Koch, Bäcker und Stewards auch. Hier schliefen alle zusammen Mitschiffs, zwar unter Deck, aber gemütlich. Bei schlechtem Wetter war das für den Moses ein großer Vorteil, er brauchte nicht mit den Essenbacken von Mitschiffs von der Kombüse zum Achterschiff zur Mannschaftsmesse zu laufen. Hier lag die Kombüse genau in der Mitte, und es ging ein Essenfahrstuhl von der Offiziersmesse über die Kombüse bis zu uns unter Deck, das Essen war immer heiß, und der Moses sparte viel Zeit.

Es war so ein Fahrstuhl mit Handbetrieb, man zog an einem Seil und schon bewegte sich das Ding von Oben nach Unten oder umgekehrt, eine Fußbremse gab es auch, damit der Fahrstuhl nicht bei uns auf den Boden knallte, wenn oben mal einer nicht aufpasste. Der Fahrstuhl spielt auch noch eine Rolle in meiner Geschichte. Also wir hatten es alle sehr bequem, ein richtiger Luxus, wenn ich an den Seelenverkäufer denke, ein Unterschied wie auf der Queen Mary. Um Mitternacht wurde unsere Kammertür aufgerissen, und die Nachtwache holte uns aus der Koje. Mit einer leichten Migräne vom Grog zogen wir uns an und gingen in die Messe, der Moses hatte Kaffee gekocht und ein paar Brote geschmiert, nix dolles, aber ich hatte Hunger, gestern hatte ich ja nicht mehr zu Abend gegessen.

Alle Decksleute waren versammelt, und der Bootsmann teilte mich für die Back ein, das ist das Vorderteil des Schiffes. Hier würde ich nun immer beim Ab- und Anlegen arbeiten, das war immer so, dieses galt dann für die ganze Zeit, wo man an Bord war. Es gab einen Lautsprecher in der Messe, und um 0.45 kam das Kommando: "Alle Mann an Deck, es geht los, Schlepper sind da." Also schnell die Muck Kaffee runtergespült und auf ging's. Es schneite wie verrückt, und man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Überall an Deck brannten jetzt die großen Scheinwerfer, "Sonnenbrenner" genannt, weil sie hell wie die Sonne waren. Der 2. Offizier hatte das Kommando auf der Back, und ich wurde ihm schnell vorgestellt, das war's dann. Leinen wurden gelöst und andere Leinen zum Schlepper runter gelassen, langsam lösten wir uns von der Pier in Bremerhaven; in einigen Wochen würde ich hier von Bord gehen, aber anders als ich dachte.

Zur Schleuse war es nicht weit, und nach knapp einer halben Stunde waren wir im Fahrwasser der Weser, der Lotse würde uns in die Deutsche Bucht bringen und dort von Bord gehen. Inzwischen wusste ich auch, wohin die Reise gehen sollte; der erste Hafen war Porto Barrios, ein Hafen in Britisch-Honduras, heute heißt dieser Staat [ame="http://de.wikipedia.org/wiki/Belize"]Belize[/ame], dann weiter nach [ame="http://de.wikipedia.org/wiki/Kolumbien"]Kolumbien[/ame], nach [ame="http://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Marta"]Santa Marta[/ame], dort sollte sich mein Schicksal entscheiden. Wir lösten uns auf der Back ab, immer 3 Mann blieben an Deck, die anderen gingen zum Aufwärmen in die Messe, alle 30 Minuten wurde gewechselt. Der Bootsmann, der Achtern seinen Dienst versah, teilte mich für die 8-12 Wache ein, danach konnte ich zutörnen, zumindest am Nachmittag, das brachte jeden Tag mindestens 5 Überstunden, mir war es recht.

Nach ungefähr 2 Stunden Revierfahrt, die Schlepper hatten uns inzwischen verlassen, erreichten wir Leuchtturm "Roter Sand", und der Lotse ging von Bord, bei diesem Wetter unter Lebensgefahr. Die Lotsenleiter war vom Schnee glitschig, und ein leeres Schiff liegt ziemlich hoch im Wasser, aber auch das klappte ohne Probleme. So kurz nach 3.00 Uhr ging ich unter die heiße Dusche und dann ab in die Koje, nun kam die Müdigkeit richtig, draußen dei Kälte und nun die Wärme. Also ab ins Bett, der Moses würde mich um 7.00 Uhr wecken, dann in Ruhe frühstücken und dann auf die Brücke zur Wache. Nun begann die Reise richtig, wir waren auf See.

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4. Kapitel

So, heute war mein erster Tag auf der Brücke, außer dem 2. Offizier hatte ich noch niemand von den Herren Offizieren kennen gelernt, das würde wohl auf der Brücke geschehen. Um 7.00 Uhr weckte mich der Moses, mein Bettnachbar war schon weg, er hatte Wache, und ich würde ihn jetzt gleich ablösen. Schnell unter die Dusche und in die Klamotten für die Wache, man zieht sich da sauber an, kein Arbeitszeug. Also schwarze Hose, dicken Pullover, Kulani und die Pudelmütze, das war meine Brückenkluft für den Winter.

Aber nun würde ich mal frühstücken, es gab Eier nach Wunsch; ich bestellte mir Rührei mit Schinken, und dann haute ich so richtig rein. In der Messe saßen noch ein paar Jungs aus der Maschine, 3 von ihnen waren auch gestern an Bord gekommen, den einen kannte ich von der "Steckelhörn", wir hatten schon eine Reise nach Westafrika zusammen gemacht. Sein Spitzname war "Spiritus", er trank gerne einen, manchmal zuviel; dann bekam er Ärger, aber ich hielt den Mund, war ja nicht mein Problem oder? Um 7.45 Uhr machte ich mich auf den Weg zur Brücke; da unsere Messe ja im Bauch des Schiffes lag, musste ich allerhand Treppen bis zur Brücke erklimmen. Das Wetter war klar, die Sonne schien, aber es war saukalt. Ich machte die große Schiebetür zur Brücke auf und schlüpfte schnell hinein.

Hier war es warm, die Jacke brauchte ich nicht, ich meldete mich beim 2. Offizier, der die Wache mit mir hatte. Wir befanden uns nun am Anfang des Kanals zwischen Holland und England, diese Seestraße ist sehr gefährlich, denn hier fahren die meisten Schiffe durch. Mein Zimmerkollege stand am Ruder und ich übernahm, er gab mir den zuletzt gehaltenen Kurs an, ich wiederholte, und nun hatte der Kumpel seinen Dienst beendet. Im Kanal würden wir noch mit Rudergänger fahren, danach wurde dann mit Automatik gefahren, auf der Überfahrt nach Mittelamerika. Dann übernahm die Automatik den Kurs, und man brauchte nicht mehr am Ruder zu stehen, man stand dann draußen auf der Brücke, der sogenannten "Nock", und hielt Ausschau nach anderen Schiffen. In den Tropen war das ein schöner Platz, aber nicht in der Kälte und bei Nebel.

Aber noch stand hier niemand von uns. Hinten im Kartenraum, der sich auch auf der Brücke befand, sah ich zum erstenmal den "Alten"; er unterhielt sich mit dem Funker, dessen Bude befand sich auch auf der Brücke; er wohnte und arbeitete in seiner Kabine, die war meist sehr groß. Der Funker war auch für unser Geld zuständig, bei ihm erledigte man das mit dem Ziehschein nach Hause, und er zahlte in den Häfen den Vorschuss in der landesüblichen Währung aus. Auch die Post war sein Revier, und er gab täglich eine kleine Bordzeitung für uns heraus, meistens zwei DIN A4 Seiten mit Nachrichten aus der Heimat; sie wurden von Norddeich Radio übermittelt, der deutschen Seefunkstelle. Norddeich hielt mit allen Deutschen Schiffen auf den Weltmeeren Kontakt, heute ist diese Station geschlossen, geht alles über Satellit, die Navigation über GPS.

Als der Käpten mich sah, kam er zu mir und fragte mich ein bisschen aus, nach Alter, Heimat, Seefahrt u.s.w., er machte einen netten Eindruck. Nach meiner Wache und dem Mittagessen sollte mir der 2. Offizier das Schiff zeigen, denn auf einem Kühlschiff hatte ich ja noch nicht gefahren. Der 2. Offizier würde mir das ganze Kühlsystem erklären, denn auf der Rückreise mussten wir mehrmals am Tag in die Kühlräume und die Temperaturen der einzelnen Laderäume überprüfen, Tag und Nacht, ein Ausfall da unten könnte verheerende Folgen für die Fracht haben, aber davon später. Alle Stunde wurde ich am Ruder abgelöst, und man konnte einen Kaffee für alle holen; mein Dienst auf der Brücke lief aber weiter, ich beobachtete den Schiffsverkehr zusammen mit dem 2. Offizier. Wenn man Rauchen wollte, ging man in die Nock, auf der Brücke selber war das verboten, außer der Offizier erlaubte es. Am Ruder war das Rauchen natürlich Tabu, wie sah das auch aus, Zigarette im Mundwinkel und die Hände am Ruder, nein, das muste nicht sein.

Die Zeit verlief wie im Flug, und um 11.45 Uhr war meine Ablösung da und ich konnte zum Essen gehen, um 13.30 Uhr sollte ich dann zum 2. Offizier kommen und dann eingewiesen werden. Heute war Donnerstag, Seemannssonntag, wenn man an diesem Tag auf See war, bekam man einen Urlaubstag extra und es gab ein besonderes Essen; zum Frühstück Eier nach Wunsch, Mittags einen schönen Braten, und zum Kaffee gab es selbstgebackenen Kuchen, immer am Seemannssonntag und am normalen Sonntag; auch frische Brötchen gab es dann vom Bäcker, der Junge hatte viel zu tun an diesen Tagen. Der Kuchen wurde liebevoll "Panzerplatten" genannt, denn es war meist Butter- oder Streuselkuchen. Heute gab es Sauerbraten und Knödel, lecker war das, ich haute mir richtig den Bauch voll, der Bootsmann gab mir die Order, nach der Einweisung vom 2. Offizier gleich unten in den Räumen zu bleiben. Wir sollten die Räume noch richtig vorbereiten, das würde ein paar Tage dauern; gut so, an Deck konnte man jetzt nichts machen, wegen der Kälte, da unten würden wir trocken und warm bleiben, die Kühlung lief ja erst, wenn die Ladung an Bord war, 3000 Tonnen grüne Bananenstauden, mein Gott.

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