Teil 1

10 Jahre Verein "Schifferkinderheim Würzburg e.V."


Festschrift zum 10-jährigen Bestehen des Vereins "Schifferkinderheim Würzburg e.V.! am 07. Juli 1963

Zum Geleit!


IN GOTTES NAMEN wurde vor 10 Jahren ein Werk begonnen, das für die Mainschiffahrt größere Bedeutung hat als einige Staustufen. Auch die modernsten und teuersten technischen Anlagen können die Menschen nicht ersetzen, die sie lenken und der Allgemeinheit nutzbar machen. Das Schifferkinderheim Würzburg formt ja nicht nur 72 Kinder zu einem standesbewußten Nachwuchs für die Schiffahrt, sondern hebt auch das Selbstbewußtsein der Mainschiffer.
Dieses kleine Heft soll keine Jubiläumsschrift sein, sondern eine Rechenschaft, nachdem das erste Ziel erreicht ist. Sie wird dem aufmerksamen Leser zeigen, daß es richtig war, gerade diesen Weg zu gehen. Fällt es nicht auf, daß zu Beginn der Arbeit ca. 100 Schifferkinder im Volksschulalter gezählt wurden und nun ihre Zahl auf ca. 150 stieg? Wie sehr das Heim im Bewußtsein der Öffentlichkeit lebendig ist, zeigt die ganze unverhältnismäßig hohe Zahl von Mitglieder des Vereins. Es ist an der Zeit, all denen zu danken, die finanzielle Opfer gebraucht haben; mehr noch denen, die unverdrossen ihre Arbeit und ihre Kraft in den Dienst der Sache stellen. In besonderer Ehrfurcht und Dankbarkeit gedenken wir der drei Toten unter ihnen. Möge Gott, der das Gedeihen gab, ihnen allen ein Vergelter sein!
Hier seien auch nicht vergessen jene allgemeinen Kinderheime, die seit Jahrzehnten und auch heute noch sich um den Schiffernachwuchs erfolgreich bemühen. Daß unsere Zeit aber die weitere Entwicklung dieses besonderen Kinderheimes braucht, ist einleuchtend.
Deswegen muß an dem Werk weiter gebaut werden, damit der christliche Schifferstand wachse. Darum Verein Schifferkinderheim Würzburg e.V.:"Gute Fahrt ins zweite Jahrzehnt".
In Gottes Namen

Msg. R. Kümmert, Caritasdirektor
Vorsitzender des Verwaltungsrates

Die Arme Schulschwester M. Caritina Grön hat in ihrem Buch "Eine Frau steht am Steuer" ein Lebensbild der Grüderin der Konregation der Armen Schulschwester v.U.L. Frau in München verfaßt. Auf den letzten Seiten ihres Buches, das im Selbstverlag des Provinzialates erschinen ist, hat sie dem Initiator des Schifferkinderheims in Würzburg ein ehrendes Denkmal mit folgenden Worden gesetzt:
In Würzburg scheint Mutter Theresia bei einer Neugründung leibhaftig in Erscheinung getreten zu sein. Dem überausrührigen, gütigen und weitblickenden Oderregierungsrat Hermann Walter Schäfer kam der Gedanke zur Errichtung eines Schifferkinderheimes. Diese Idee wurde ihm, wie er in einer besinnlichen Stunden in tiefem Ernst gestanden, zur wahrhaftigen Berufung. Er glaubte, seine Gründung könne ein bedeutsames Glied in der Kette sein, die Kindheit und Lebenswerk der Ordensgründerin verbinde und kröne.
Nach unsagbaren Hemmungen und Schwierigkeiten erstanden gegenüber dem Hafen und Main ein modernes, schönes Heim für Schifferkinder, wie einst die kleine Karolina Gerhardinger (Mädchenname der Gründern der Kongregation) es war, besonders für Geschwister, für Buben und Mädchen. Mehrere Geschwister werden von einer Schwester familienmäßig betreut.
Auch der Initiator und Gründer, der gute Schifferkindervater, durfte die Vollendung seines Werks nicht mehr schauen. Am 18. März 1959 opferte er sein Leben, erst 58 Jahre alt. Er trug im kindlich-frommen Herzen eine zarte Verehrung gegen die hochselige Ordensstifterin. In schweren Notzeiten nahm er die große Biographie der Ehrwürdigen Mutter zur Hand.
Dann war ihm, als fasse sie das Steuer und siehe - das Werk wuchs. Auch er mußte das Leitwort des Bischofs Wittmann und seiner getreuen Schülerin, der hochseligen Mutter Theresia, verstehen lernen:"Alle Werke Gottes gehen einen langsamen, leidvollen Gang".

Rückblick auf Entwicklung und Wirken des Vereins

Am 07.Juli 1963 sind 10 Jahre vergangen seit dem Tage, an dem von einer kleinen Zahl weitschauender Männer auf Anregung von Oberregierungsrat Walter H. Schäfer, des Verkehrsdezernenten der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Würzburg, der "Schifferkinderheim Würzburg e.V." gegründet wurde. Das Protokoll über die Gründungsversammlung folgt weiter unten. Schon am 15.Juli 1953 wurde die erste ordentliche Mitgliederversammlung einberufen und die Satzung beschlossen. Am 27.Juli 1953 folgte die Eintragung in das Vereinsregister und am 24.September 1953 die Anerkennung als gemeinnütziger Verein durch den Stadtrat von Würzburg.
Wie energisch der junge Verein sein Ziel, baldigst in Würzburg ein Heim für Schifferkinder zu errichten, verfolgte, zeigt der Umstand, daß er schon am 26.Oktober 1953 ein 5800 qm großes, sehr günstig gelegenes Baugrundstück am Zeller Mainbogen gegenüber dem neuen Hafen erwerben konnte; hierfür stellte die Stadt Würzburg entgegenkommenderweise ein Zwischendarlehen zur Verfügung, das schon im März 1954 durch die Opferfreudigkeit der Mitglieder, Freunde und Gönner sowie insbesondere durch die Beihilfe des Herrn Bundesministers für Verkehr zurückgezahlt werden konnte, so daß das Grundstück am 29.März in schuldenfreiem Eigentum des Vereins war. Nunmehr galt es, die Finanzierung des Baues vorzubereiten und voranzutreiben. Hierzu waren eine intensive Mitgliederwerbung und zahlreiche Verhandlungen mit verschiedenen Behörden und Organisationen erforderlich. Als Unterlage für diese Tätigkeit wurde zunächst eine eingehende Darlegung darüber ausgearbeitet, warum die Errichtung eines Schifferkinderheimes in Würzburg dringend notwendig war.
In jahrelanger, mühsamer Arbeit gelangt es Oberregierungsrat Schäfer und einer Anzahl getreuer Mitarbeiter, die Zahl der Vereinsmitglieder auf über 700 zu bringen. Die Mitgliedschaft wurde sowohl von vielen Einzelpersonen aus dem öffentlichen Leben und aus der Wirtschaft, besonders aus der Schiffahrt und dieser nahestehenden Kreisen, als auch von verschiedenen Firmen mit namhaften Jahresbeiträgen erworben.
Wenn auch damit schon ein wesentlicher finanzieller Rückhalt geschaffen wurde, so war doch der überwiegende Teil der Baumittel durch Darlehen und Spenden aufzubringen. Hierbei fand der Verein großes Verständnis und Entgegenkommen bei den verschiedenen Behörden und Organisationen des Bundes, des Freistaates Bayern, der Kirche, der Bezirksverwaltung, der Städte sowie der Verkehrswirtschaft.
Anfang des Jahres 1957 waren diese Vorarbeiten so weit gediehen, daß am 25.März der Grundstein für den ersten Bauabschnitt der Gesamtplanung in einer eindrucksvoller Feier durch den Schifferseelsorger Pfarrer Johannes Maron gelegt werden konnte.
Bei dem Bauentwurf, den Architekt Georg Eydel in Zusammenarbeit mit Frau Dipl.-Ing. Kolb aufstellte, legte der Verein ganz besonderen Werft auf eine zweckmäßigen Einrichtung; hierbei wurde er hervorragend beraten durch die Kongregation der Armen Schulschwestern von U.L. Frau in München, die große Erfahrung in der Betreuung derartiger Heime besitzt und sich entgegenkommenderweise bereit erklärte, auch die Betreuung und Bewirtschaftungen des neuen Würzburger Heimes zu übernehmen.
Die Bauausführung mußte zunächst noch etwas zurückgestellt werden, da zur endgültigen Sicherstellung der Finanzierung der Gesamtplan und die Größe des ersten Bauabschnittes noch einmal zu überarbeiten war. Daraus ergab sich, daß man sich entschließen mußte, zunächst nur 54 statt der ursprünglich vorgesehenen 84 Plätze zu schaffen, wobei jedoch die Möglichkeit offenblieb, im Bedarfsfalle durch Inanspruchnahme der beiden Feierabendzimmer und Einziehen von Zwischenwände die Aufnahmefähigkeit auf 72 Plätze zu erhöhen und damit die Wirtschaftlichkeit des Heimes zu verbessern.

Daraufhin konnten die Bauarbeiten im Jahre 1958 begonnen, zügig durchgeführt und zeitig beendet werden, daß die Inbetriebnahme des Heimes zum Schulbeginn am 01.September 1958 möglich war. Bei der feierlichen Eröffnung im großen Saale der nahe gelegenen Adalbert-Stifter-Schule, die auch für den Schulbesuch der Heimkinder zuständig ist, konnte Oberregierungsrat Schäfer namens Vorstandes etwa 300 Gäste begrüßen, an ihrer Spitze Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Hans Seidel sowie Vertreter des Bundesministers für Verkehr und der Kirchen, ferner den Regierungspräsidenten von Unterfranken, den Oberbürgermeister von Würzburg und den Leiter der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Würzburg sowie namhafte Vertreter der Wirtschaft, besonderes der Schiffahrt, und der Main gelegenen Städte und Gemeinden. Wie nicht anders zu erwarten, war das Heim zunächst noch nicht voll belegt. Die vorbildliche Einrichtung des Heimes und die ausgezeichnete Betriebsführung sowie die fürsorgliche und liebevolle Betreuung der Kinder veranlaßten jedoch alsbald immer mehr Schiffereltern, ihre Kinder zur Aufnahme anzumelden, so daß die vorhandenen 54 Plätze nicht mehr ausreichten und unter Ausnutzung der oben erwähnten Reserven 18 Plätze zusätzlich geschaffen werden mußten. Auch nach dieser Erweiterung auf 72 Plätze ist das Heim jetzt voll belegt. Im übrigen liegt bei dieser Größe erfahrungsgemäß etwa die untere Grenze, bei der sich der Betrieb eines Heimes noch wirtschaftlich gestalten läßt.

Die Betreuung des Schifferkinderheimes Würzburg haben die Schulschwestern von U.L. Frau in München übernommen und hierzu 6 Schwestern abgeordnet. Eine Oberin ist für die Leitung und die Buchführung verantwortlich, 4 Schwestern betreuen die Heimfamilie von durchschnittlich 18 Kinder, und zwar Buben und Mädchen verschiedenen Alters, darunter mehrfach auch Geschwister.

In den Waschräumen ist im allgemeinen für jedes Kind ein besonderes Waschbecken vorhanden. Eine weitere Schwester ist zuständig für die musterhafte ausgestattete Küche und die Wäscherei im Kellergeschoß. Dort sind auch Kessel für die Ölheizung sowie die Enthärtungsanlage für das Wasser untergebracht. Im Erdgeschoß befinden sich neben dem Eingangsraum die Pforte und das Zimmer der Heimleiterin sowie ein Besprechungs- und Empfangsraum für Eltern und sonstige Besucher, ferner die Hauskapelle. Der Empfangsraum enthält auch ein Fernsehapparat und eine Bücherei mit rund 300 Bänden guter Bücher, die an die Schiffer, auch zum Mitnehemen auf das Schiff, ausgeliehen werden.

Das Schifferkinderheim Würzburg erfreut sich immer mehr eines allgemeinen Interesse. In den Städten Frankfurt, Würzburg und München wurden Mutterkreise gebildet, die sich jeweils der nach Städten benannten Heimfamilien in besonderer Weise annehemen, durch Besuche im Heim ein persönliches Verhältnis zu den Kindern herstellen und ihnen durch passende Geschenke eine besondere Freude bereiten.
Mehrfach erhielt das Heim hohen Besuch, u.a. durch den H.H. Bischof Dr. Josef Stangl von Würzburg im Jahre 1960 und den inzwischen verstorbenen Altreichskanzler Dr. Hans Luther im Jahre 1961. Über die Einrichtung sowie über das Leben und Treiben im Heim haben Presse, Rundfunk und Fernsehen berichtet. Die Veireinsmitglieder werden vom Vorstand über die Entwicklung des Vereins und das Geschehen im Heim laufend unterrichtet durch Mitteilungsblätter, von denen bislang 15 erschienen sind. Durchschnittlich einmal im Monat findet eine Vorstandssitzung im Heim statt, in der allgemeine und besondere Verwaltungs- sowie Finanzangelegenheiten und Bau- und Unterhaltsfragen zu erledigen sind.
Über dem Vorstand steht der Verwaltungsrat, der nach Bedarf in größeren zeitlichen Abständen zusammentritt. Bislang haben drei Verwaltungsratsitzungen stattgefunden, achtmal wurden ordentliche Mitgliederversammlungen einberufen. Die so erfreuliche Entwicklung des Vereins und des Heimes hat ihr Initiator, Oberregierungsrat Walter H. Schäfer, nur in ihren Anfängen noch erleben dürfen. Am 18.März 1959, etwa ein halbes Jahr nach der Inbetriebnahme des Heimes, ist er im Alter von 58 Jahren allzufrüh verschieden. Seine großen Verdienste um Verein und Heim wurden vom Verein in einem Nachruf in Mitteilungsblatt Nr. 9 gewürdigt. Am 19.September 1959 hatte der Verein abermals einen schweren Verlust zu beklagen durch den unerwarteten Tod der ersten Heimleiterin, Oberin Maria Dolorata Eggerbauer, die mit reichen Erfahrung und ihrer hingebenden Fürsorge für die Kinder dem Heim unschätzbare Dienste erwiesen hat. Ebenso ein Nachruf für den Leiter der Schifferseelsorge, Generalpräses Johannes Maron, der die Grundsteinlegung für den Heimbau vorgenommen hatte und dem Verein stets ein treuer Freund und Helfer war.
Diese kleine Festschrift kann nicht geschlossen werden, ohne unseren treuen Vereinsmitglieder sowie unseren vielen Freunden und Gönner von ganzem Herzen zu danken für die uns bislang in so reichen Maße zuteil gewordene Förderung, Unterstützung und Mithilfe. Wir bitten sie alle inständig, dem Schifferkinderheim Würzburg e.V. auch in Zukunft die treue zu halten und um das Wohl unserer Schifferkinder mit besorgt zu sein.

Der Vorstand des "Schifferkinderheim Würzburg e.V." Brand Dr. Möhlmann Brückner

Gruß Dewi