Was die mögliche ehemalige Verwendung der Herftpoller als "Arbeitspoller" bei der Benutzung eines eigenen Ladegeschirrs anbelangt, habe ich mir mal bei Böcking: "Schiffe auf dem Rhein in drei Jahrtausenden", auf den Seiten 150 und 151 die in den 1890er Jahren gebauten Schleppschiffe Mannheim 45 und Mannheim 49 angesehen. Die Schiffe haben zwei bzw. drei Masten mit jeweils zwei Ladebäumen pro Mast, aber keinerlei Poller auf dem Lukendach (und übrigens auch nur drei Poller am Kopf). Auch bei einem Foto eines weiteren Schleppschiffs mit Mast und Ladebäumen am Rheinkai in Mannheim (S. 153) sehe ich keine Herftpoller. Ebenso bildet Oskar Teubert, der in seinem 1912 erschienenen Klassiker "Die Binnenschiffahrt" die Ausrüstung der Schiffe bis hin zu kleinen Details beschreibt, ein 1500 Tonnen-Schleppschiff vom Rhein mit drei Masten und Ladegeschirr, aber ohne die Poller auf dem Lukendach ab.
Demgegenüber sind bei einem bei Böcking (auf S. 152) abgebildeten Entwurf eines RHK-Schiffs, das über kein eigenes Ladegeschirr mehr verfügt, in gleichmäßigen Abständen über das Schiff drei Poller auf dem Lukendach vorgesehen. Auch bei Teubert ist auf einer Zeichnung ein moderner 1700 Tonnen-Rheinkahn ohne Masten und ohne Ladegeschirr, aber mit den Herftpollern abgebildet.
Ich glaube daher nicht, daß die Poller ein Überbleibsel aus der Zeit sind, als die Schiffe noch ein eigenes Ladegeschirr hatten. Eher handelt es sich um Poller aus der neueren Zeit seit der Jahrhundertwende, als die Schleppschiffe immer größer wurden. Es ging wohl darum, diese großen Schiffe beim Festmachen und Verholen besser händeln zu können - vielleicht spielte auch der bessere Zugang zu dampfgetriebenen oder elektrischen Spills an Land eine Rolle. Der Umstand, daß jetzt keine Masten und Ladebäume mehr im Weg waren, mag dazu verlockt haben, zentrale Poller auf der größten Höhe des Schiffes vorzusehen, mit denen man für alle Fälle gewappnet war und überall hin konnte.
Es ist schwer zu sagen, ob man bei der Einrichtung der Poller an die bessere Bewältigung größerer Höhen gedacht hat oder ob die Herftpoller sich dann erst als praktisch für diesen Zweck erwiesen haben. Die Erbauer der Franzosen-Motoren, die sehr oft an Seebooten gelegen haben, werden diesen Nutzen der Herftpoller jedenfalls vor Augen gehabt haben.
Gernot