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Thema: Basel

  1. #11
    Im ewigen Hafen
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    Hallo Rebi,
    freu mich jetzt schon auf den Bericht von Göpf.
    Jürgen
    Alle Menschen sind klug....die einen vorher, die anderen nachher. (Voltaire)

  2. #12
    Im ewigen Hafen
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    Schweiz Die Geschichte der Streuli-Bank

    Die Geschichte des „Streuli-Bänklis“ beim Schiffermast
    Basel

    Reiseleiter Siegfried H.

    Das Reisen hat mir das ganze Leben lang behagt, das „hinter die Kulissen schauen“. Ich hatte oft Lust, selbst hinzufahren, als sich mit der vorherrschenden Meinung zufrieden zu geben. So buchte ich in einem einschlägigen Reisebüro eine Rundreise durch die DDR. Hier hatte dieser Staat ausschliesslich negative Schlagzeilen in der hiesigen Presse, etwas Positives wurde kaum erwähnt. Die Bahnfahrt nach Ostberlin verlief problemlos zum Start der zehntägigen Rundfahrt per Car. Die Grenzkontrolle durch die DDR-Zöllner war ungewohnt streng. Ich reiste bisher oft, doch es war das erste Mal, dass ich an einer Grenze sämtliche Säcke von Hose und Kittel zur Kontrolle leeren musste. Immerhin waren die Beamten höflich. Und ich kannte ja die Vorschriften: Nichts Schriftliches dabei, keine Zeitungen und dergleichen. Ich fand dann Bus und Reisegruppe. Die Leute kamen aus verschiedenen europäischen Ländern, wollten sich wohl wie ich orientieren, wie die Menschen leben hinter dem „Eisernen Vorhang“. Der Reiseleiter war ein pensionierter Ingenieur, ein umgänglicher, gebildeter Mensch. Als Rentner durfte er das Land verlassen, nicht jedoch die Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter.

    Auffallend war, wie oft und wo Propaganda gemacht wurde für ihr Staatssystem. An grossen Spruchbändern wurde den Menschen klar gemacht, wie es gut geht im „real gelebtem Sozialismus“. Mit Siegfried habe ich gut diskutieren können und dass ihm etwa die Worte „antifaschistischer Schutzwall“ fliessend von den Lippen gingen, nahm ich in Kauf, denn er war als Reiseleiter ja vom Staat angestellt. Wir besuchten viele Städte und Dörfe, durften uns frei bewegen. Einmal, ich glaube es war in Leipzig, fand ich ein grosses Bierlokal, in das ich gerne hinein ging. Wie überall in DDR-Restaurants wurde mir ein Platz angewiesen. Ich kam an einen leeren, grossen Tisch. Da niemand zum Plaudern da war, las ich die Trinksprüche, die an Wänden und Säulen angebracht waren. Sie waren teils lustig, teils tiefsinnig. Ein Spruch hat mir so gut gefallen, dass ich ihn noch weiss, nach Jahrzehnten:“ Manche Leute sind politisch so unsicher, dass sie ihren Schnaps lieber daheim, trinken!“. Da hatte offensichtlich der Verfasser des Spruches seine eigenen Landsleute auf die Schippe genommen. Nach kurzer Zeit war mein Tisch belegt mit einer Gruppe junger Menschen. Es stellte sich heraus, dass das alles Lehrlinge waren, die ein Museum besuchen mussten. Wir hatten lange und interessante Gespräche, wir erzählten von unserem Leben. Da meinte einer treuherzig, „wenn ich einmal so alt bin wie Sie, werde ich auch überall hin reisen. Offensichtlich hat er sich in seinen jungen
    Jahren schon damit abgefunden, dass seine Landesgrenzen auf sehr lange Zeit noch dicht bleiben würden. - In Dresden sagte mir Siegfried, er kenne ein gutes Nachtlokal, ob wir es besuchen wollten. Es schloss sich auch unser Busfahrer an und zu dritt gingen wir hin. Beim Eingang erlebten wir aber eine Überraschung. Der Fahrer dürfe nicht hinein, weil er keine Krawatte trage. Er hätte aber die Möglichkeit, beim Pförtner eine zu mieten, was er dann widerwillig auch tat. Wütend auf die doofe Kleidervorschrift blieb er und was ich sagte, konnte ihn auch nicht beruhigen. Ich meinte, dass eine solche dumme Kleidervorschrift im dekadenten, kapitalistischen Westen auch gang und gäbe sei, jedoch hier im „Bauern- und Arbeiterstaat“ das auch zu erleben, sei doch etwas komisch. Doch die Reise durch die DDR verlief harmonisch. Ich freundete mich darauf mit Siegfried an und versprach, ihn wieder in Berlin zu besuchen, Das geschah dann auch später. Ich musste nicht mehr die übertrieben teuren Devisen-Hotels nehmen, sondern konnte in Siegfrieds Haus in Köpenick wohnen, und dessen Adresse ganz offiziell für das Visum angeben. So kam es, dass ich Siegfried und seine Frau Edith auch zu einem Besuch zu mir in die Schweiz einlud, möchte aber, dass sie vorrangig zu meinen Ferien eine Reise mit meinem Rheinschiff machten. Das geschah dann etwa 1980. Ich holte die beiden ab am Badischen Bahnhof, glücklicherweise. Siegfried zeigte stolz an der Grenzkontrolle seinen Pass und das Visum, doch der Beamte war nicht zufrieden, er habe ja nur ein Ausreisevisum der DDR und kein Einreisevisum in die Schweiz. Verlange ein Land ein Besuchervisum, so halte es Gegenrecht mit der Visumspflicht, doch er wisse uns einen guten Rat. Die Bundesrepublik Deutschland habe kürzlich erklärt, dass ein DDR-Bürger automatisch auch ein Bürger von Westdeutschland sei. Wir sollen also nochmals zurück zu den deutschen Grenzkontrollen und nach der Bestätigung fragen, dass meine Gäste nun als deutsche Bürger-West über die Grenze kommen wollen. Das machten wir – und alles war in Ordnung! Ich war zufällig mit meinem Schiff gerade in Basel. Und am selben Tag waren wir schon an Bord, traten die Talfahrt nach Antwerpen an. Keine Frage, dass meinen Passagieren die Rheinfahrt gefallen hat, besonders, weil wir noch ausgedehnt Amsterdam besuchen konnten.
    Nach Ankunft wieder in Basel, Konnte ich meine Ferien antreten und meine beiden Ostdeutschen, nun immer noch Westdeutsche, wohnten bei mir in der Landwohnung. Ich verwöhnte sie mit Ausflügen in Basel und der restlichen Schweiz und mit guter Schweizer Küche – natürlich nicht von mir, sondern von guten Restaurants.

    Das Bänkli

    Im Schifferkinderheim, direkt neben unserem Schifferhaus in Kleinhüningen fand ein Fest statt uns es wurde gefeiert. Damals wohnten im Heim noch Dutzende echte Kinder von Rheinschiffern. Was gefeiert wurde, das weiss ich nicht mehr. Jedenfalls dauerte es sehr lange bis in die späte Nacht, Alkohol floss reichlich, es wurde folglich lustig und fröhlich. Und am nächsten Morgen plante der Schifferverein am frühen Morgen die Abfahrt mit einem Car im Hafen zu einer gemütlichen Fahrt irgendwohin in die Schweiz. Da stach mich der Übermut, bedingt durch die Höhe des Alkoholpegels und ich erklärte meinen Vereinskameraden: Ich würde glatt die fehlende Bank beim Schiffermast auf meine Kosten bauen lassen, falls ich nicht in aller Frühe in den Hafen zu laufen hätte, weil so früh am Sonntagmorgen ja noch kein Tram fährt. Der Bus solle mich aber doch bitte daheim abholen. Es war nicht von mir beabsichtigt, dass der Bus mich daheim abholen sollte – diese Blösse wollte ich doch nicht geben! Es kam aber, wie es kommen musste. Am sehr frühen Sonntagmorgen wurde ich geweckt durch die Hausglocke, die Sturm läutete. Vor dem Hause stand der Bus, vollgepackt mit fröhlichen Schiffervereinlern .Und so gab ich über Bekannte vom Schifffahrtsamt der Stadtgärtnerei den Auftrag, die gleiche Sitzbank vor dem Schiffermast zu montieren, wie dieser Staatsbetrieb schon am Affenfelsen beauftragt wurde. Die Rechnung, die ich später erhielt, erstaunte mich aber doch. Sie lautete af CHF 2 500.-. Das schien mir doch etwas viel für eine übliche Sitzbank. Also wünschte ich eine detaillierte Abrechnung und so stellte sich heraus, dass mir die Stadtgärtnerei mit zur Bank noch CHF 1 000.- für Umgebungsarbeiten aufschrieb, die ich jedoch nicht bezahlen brauchte. Ich fand dann noch eine weitere Reduktionsmöglichkeit wegen des immer noch hohen Betrags. Ich schrieb der Stadt Basel einen Brief und erklärte, dass ich die Bank der Öffentlichkeit schenke. Das gab mir das Recht, dass ich die Kosten für das Bänkli nicht versteuern musste. An mir liegt es jedoch, dass ich die verschenkte Bank pflege und gelegentlich frisch lackiere. Und ich gebe mir Mühe, dass „meine“ Bank in einem besseren Zustand sich zeigt, als die anderen Sitzgelegenheiten am Affenfelsen. Mit Hafenbesuchern habe ich hie und da interessante, oft lustige Gespräche, wenn sie mich im Überkleid am Bänkli arbeiten sahen.

    Das Messingschild

    Freund Siegfried aus der DDR ging bei seinem Basler Aufenthalt natürlich auch einige Male an den Hafen und ich erzählte ihm da allerhand. Er wusste also die Bänkligeschichte. Wochen später bekam mein Sohn ein Paket aus der DDR von Siegfried mit einer Messingtafel, „Streulibank“ schön eingraviert. Siegfried schrieb meinem Sohn, das sei ein Geschenk an mich wegen der schönen Rheinreise, die er mit seiner Frau machen durfte, er möchte mich damit überraschen und er solle doch bitte das Schild heimlich montieren. Doch mein Sohn tippte richtig, dass mich das heimliche Geschenk gar nicht freuen würde. Er fragte mich, was er machen solle. Ich sagte, wir würden das Schild mit durchsichtigem Tesafilm festkleben. Dann fotografieren und das Bild in die DDR schicken. Die Tafel würde ich in meiner Wohnung gerne aufbewahren. Doch dieser schlaue Plan war nicht auszuführen, denn ich bekam einen Telefonanruf aus Ostberlin, Siegfried käme nächstens nach Basel, er sei von einem anderen Schweizer Gast eingeladen. Ich wusste, dass der erste Weg in Basel Siegfried dann in den Hafen führen wird, wo er sein doch kostspieliges Geschenk nochmals sehen wollte. Nun war guter Rat teuer und ich beriet mich mit dem Vereinsvorstand. Einhellig war man der Meinung, dass ich keine Hemmungen haben und das Schild fest befestigen solle. Und alles ist nun zufrieden!

    Göpf

  3. #13
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    Hallo lieber Göpf !

    Es freut mich, dass es mit dem Posten des Beitrages so gut geklappt hat.
    Jetzt weißt Du ja, wie man das macht.

    Gruß
    Rebecca

  4. #14
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    Hallo Göpf,

    es ist schön, wiedermal eine deiner erfrischenden Geschichten zu lesen. Mit dieser Bank hast du dir unfreiwillig aber verdient ein kleines Denkmal gesetzt und ich hoffe, daß diese Geschichte bald auch auf einer Tafel neben der Gottfried-Streuli-Bank zu lesen sein wird. Auf diese Weise könnten noch viel mehr Leute verstehen, wer Göpf Streuli ist.
    Für deine Verdienste um die Rheinschiffahrt ist eine Bank eigentlich sogar ein sehr bescheidenes Denkmal :)

    Viele Grüße nach Basel
    Micha
    MeinlieberHerrgehneikommrausbleibdrin

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