Bobby 1
von Klaus Schmitt
Wie es mit dem Bordhund anfing
Es war schon dunkler Abend, als Vater mit dem Nachen von Land zurückkam. Es regnete etwas. Im Schein der Petroleumslaterne konnte man erkennen: Auf der Nachenpritsche kauerte zitternd ein kleines, dunkles Etwas. Mit einer Hand hob es Vater an Deck der MAINPERLE. „Das wird unser Schiffshund!“ Ein Mann aus Flörsheim hatte ihm das Pürzelchen geschenkt – oder aufgeschwätzt. „Es wird ein Spitz“ – das Ideal eines Schiffshundes. Meinte er. Hatte man ihm gesagt. Glaubten wir.
Wir Kinder (meine Schwester Gisi und ich) waren glücklich, Mutter hatte wohl noch sorgende Bedenken. So lange war es gar nicht her, daß unser Schiffshund abgeschafft worden war, nachdem ich mich mitsamt meinem Laufställchen zielgerichtet an die Hundehütte herangeschubst hatte, um die Reste aus dem Hundefreßnapf für mich zu ergattern. Das wurde als unhygienisch eingestuft – der Hund mußte weg. Ich sollte ein reinlicher Mensch werden!
Und jetzt war da nach Jahren wieder so ein ganz kleines liebes Putzelchen an Deck geplumpst, zitternd, tollpatschig, neugierig, liebebedürftig, .... einfach was ganz Wunderbares. Das ganze Leben an Bord würde sich total verändern!
Und schon wurde aber da vor dieses umfassende Glück ein strenger Riegel vorgeschoben: „In der Roof hat er nichts zu suchen!!“ Das fand Mutter dann schnell auch – wegen der Reinlichkeit, das war ja die Kompromißlösung.
Die erste Nacht war grausam. Für uns Kinder, wahrscheinlich auch für das kleine Hundetierchen. Wir schliefen im Achterunter in einem Schrankbett, Isolierung gab es noch nicht, nur Nut- und Federbrettverschalung, wir konnten ihn mit seinen kleinen Krallen an Deck herumirren hören. Weglaufen konnte er ja nicht, wir lagen vor Anker. Der Main kluckerte in der Nacht nicht viel, man konnte seine Irrwege und Entdeckungstouren genau verfolgen. Bis er müde wurde. Dann schliefen auch wir sorgenvoll und mitleidend, aber doch glücklich ein.
Am nächsten Morgen hatte er in die Kombeis *) gekackt.
Ja, so was! Das schmälerte das Glück empfindlich! Da schwebte Ungnade über den Wassern. Da mußte ja doch unverzüglich ein ordentlich geregeltes Bordleben anerzogen werden.
Um es vorweg zu nehmen, er war später darauf abgerichtet, wenn wir bei Schiffen auf Seit lagen mit etwa gleicher Gangbordhöhe, machte er sein Geschäft auf dem Nachbarschiff. „Ja, so ist‘s recht,-- braver Hund.“
Wie es dazu kam weiß ich nicht mehr, wahrscheinlich hat Mutter die Entscheidung getroffen, Vater hat sie gewähren lassen (als Ausgleich, - weil es bei der Eheschließung eine Verabredung gegeben hatte, daß sie an Deck nichts mitzureden hatte), ... wir Kinder kannten das Wort gar nicht,
-- auf einmal hieß er „Bobby“.
*) Kombeis
Wer heute nicht mehr weiß was das ist:
ein Herd an Deck in einem Blechgehäuse mit Türen und Klappdeckel, für den Sommerbetrieb, wenn man in der Roof kein Feuer haben konnte und wenn die große Wäsche fällig war. Für die Matrosen gab es auf dem Vorschiff gar keine Roof, nur eine Kombeis an Deck und unter Deck nur einen Wohnraum (eher Aufenthaltsraum) und eine Schlafkammer. Das vordere Schott war das Kollisionschott, unverschalt. Später habe ich als Schiffsjunge eine Dreimastbark drauf gemalt. Von nackten Weibern hatte ich noch keine Vorstellung.