Fast ist es schon vergessen….

Die Queen in Huckingen

Klaus Schmitt 2012


Es war in der Zeit, als ich Reederei-Ingenieur bei der Mannesmann-Reederei in Duisburg war. In unser Alltagsgeschäft platzte eines Tages eine gewaltige Sonderaufgabe.

Im Hüttenwerk von Mannesmann in Duisburg-Huckingen hatte sich hoher Besuch angesagt: Her Majesty The Queen of England herself.

Mir war die Dame ja bekannt. Am 5. Juni 1953 hatte ich zum ersten Mal in mei-nem Leben das noch kaum bekannte Medium Fernsehen erblickt. In meinem Heimatstädtchen Klingenberg im Café Guido Stegmann hatte man ein solches Gerät aufgestellt. Wir jungen Bengels durften nicht in das Lokal hinein, aber wir konnten uns abwechselnd am Fenster mittels Klimmzug oder Räuberleiter einen Blick auf diesen Apparat ergattern. Und da war eine goldene (sagte man, im Bild aber war es eine weiße) Staatskarosse mit unnötig vielen Pferden zu sehen, in der sie drin sitzen sollte. Frisch gekrönt. So was kannten wir nicht, oder nur aus Märchenbildern. Von unserem ehemaligen Kaiser wussten wir nichts, und aus den fox-tönenden Wochenschauen hatten wir nie den Führer in einer Kutsche gesehen.

Am 25. Mai 1965 gab es die Königin nun wieder im Fernsehen zu sehen. In den Büroräumen der Mannesmann-Reederei war ein gemieteter Fernseher aufgestellt worden, damit die Reedereiangestellten zum inneren Sich-in-die-Brust-Werfen das besondere Ereignis miterleben konnten. Aber es wurde eine bejammernswerte Enttäuschung.

Was hatten wir uns vorher angestrengt! Die oberste Heeresleitung von Mannesmann hat rotiert und rotieren lassen. Das Hüttenwerk wurde geputzt und gewienert. Noch nie hat man in kurzer Zeit so viele Gebäude, Krane, Rohrbrücken, Bahnanlagen, Silos und was auch immer in frische Farbe gesetzt. Die Reederei hatte die Aufgabe, im Hafen Huckingen eine Präsentation der Flotte bereit zu hal-ten. (Im Vertrauen, da wurden auch Schiffe hingelegt, die eigentlich schon gar nicht mehr in Fahrt waren, die Anzahl sollte beeindrucken.) Alles womit man sich groß tun konnte, war so eingeteilt, dass es prunkvoll zu sehen sein sollte. Die größten Motorschiffe, die neuesten Schubboote, viele Schubleichter, und alles musste hervorragend in Pflege und Farbe sein. Also habe ich Leute eingeteilt, Farbe gekauft und ständig den Arbeitsfortschritt überwacht. Bis…. ja bis ich erkannte: Das war gar nicht zu schaffen. Da habe ich, ohne dass das jemand von oben merken konnte das Ruder herumgerissen und angeordnet: Die Schiffe werden nur von einer Seite neu gestrichen, nur das, was sie sehen können würde. So haben wir es dann doch geschafft.

Inzwischen war das Hüttenwerk weiter verschönert worden, die Scheiben geputzt und auf der vorgesehen Strecke, die die Königin befahren sollte, wurden die erzstaubverdreckten Schrott- und Schmuddelecken mit frisch gewässertem Rollrasen belegt. Wir haben dann noch die Glocken geputzt und imponierend über alle Toppen geflaggt. Nur neue Flaggen. Wie an hohen Feiertagen. Alles war parat, sie konnte kommen.



Und sie kam, nein sie geruhte in Erscheinung zu treten. Mit großem Gefolge und Tamtam. Letzteres steuerten die dienstbeflissenen Werksbosse und Stadthonoratioren bei und die, die so was werden wollten. 'I have the honour to be, Madam, Your Majesty's humble and obedient servant'.


Wir konnten es im Fernsehen verfolgen, feierlich, erhebend und eigentlich waren doch nur wir die durch den Besuch huldvoll Geehrten, unsere Flotte sollte sie begeistern, sie die ja auch Herrin über eine ordentliche HMS-Flotte war. Und dann kam das Desaster: Sie kam gar nicht zum Hafen, sie konnte unsere Flotte gar nicht sehen.





Ihre Majestät wurde in einer extra für Sie gebauten Limousine von Mercedes kutschiert, einer verlängerten Version höchster Klasse, in der man auch stehend die Ovationen des Volkes und der Hüttenarbeiter entgegennehmen konnte. Die Wege aber, die vom Rollrasen vorgegeben waren, hatten für dieses Gefährt an einer Stelle einen zu kleinen Biegeradius in der Kurve. Ihr Wagen hätte dafür im Sägeschritt zweimal ansetzen müssen, um diese Ecke zu nehmen. Und das war im englischen Protokoll undecorously. So musste schnell eine Abkürzung gewählt werden, so konnte Ihre Majestät dann Dinge im Werk sehen, die sie eigentlich nicht hatte sehen sollen und andererseits -
unsere hervorragend halbseitig vorbereitete Flotte würdigte sie eben nicht.