Danke Helmut,
ein schönes Bild und viele wichtige Informationen! Mal gespannt, wie sich der Widerspruch mit den 80 m Länge auflösen wird - offenbar durfte man auch 85 m noch mit drei Mann fahren? Möglicherweise brauchte man dafür aber einen vierten Mann, der auf Sattelschleppern auch vorkam - das waren ja immer noch weit weniger als auf einem Schleppboot! Ich habe die Besatzungsvorschriften nicht selbst vorliegen, sondern nur das wiedergegeben, was mir zu dem Thema zu Ohren kam.
Dazu gehört noch eine weitere, wichtige Information, die ich heute gehört habe. Der ursprüngliche Anlaß zur Erfindung der Sattelschlepper (die natürlich alle Schlepp-Motorgüterschiffe waren. Aber nicht alle Schlepp-Motorgüterschiffe waren auch Sattelschlepper!) war offenbar zunächst nicht der Einfall eines Bürokraten zur Kostenersparnis, sondern die Sache lief konkret so ab:
Nach dem Krieg lagen auch bei Haniel noch U-Boot-Motoren rum, die vor der Demontage versteckt und nun wieder verfügbar waren. Diese eigentlich viel zu starken Motoren wurden nun zur Motorisierung von Schleppkähnen verwendet. Das ständige Fahren mit nur halber Kraft führte aber zu Motorschäden.
Daher wurde nun überlegt, wie man die Schiffe einbremsen konnte. Man versuchte es mit dem Anhängen von Schlepplast. Angeblich sei die Idee, vorhandene Schleppwinden auf die Schleppmotoren zu bauen, von Schifferseite gekommen. Die früheren Schleppkahn- oder auch Motorschiffer hätten es zunächst sogar als einen Fortschritt empfunden, jetzt mit den starken Maschinen schleppen zu können und unter Verwendung der beiden Winden und des Schlepphakens bis zu drei Kähne mitgenommen.
Das Poblem war, daß die motorisierten ehemaligen Schleppkähne sich zum Schleppen nicht sonderlich eigneten und bei zu viel Kraft festsaugten. Zugleich war man aber seitens der Reedereien inzwischen auf den Vorteil aufmerksam geworden, mit den Schleppmotoren Personal zu sparen. So wurde gezielt das Konzept eines geeigneteren Schleppmotorschiffs entwickelt: mit zwei Maschinen mit kleineren und gegenläufigen Schrauben und der Verlegung der Schleppwinden und des Drehpunkts weiter nach vorne. Der Sattelschlepper war geboren.
Jede Reederei hatte eigene Vorstellungen und die Entfernung des Drehpunkts vom Heck war unterschiedlich. Manche bauten breite Hecks, um viel laden zu können und das Eintauchen zu verhindern, Haniel baute mit Rücksicht auf die Fahrt nach Basel schlankere Formen. Das Grundkonzept war aber überall dasselbe. Inzwischen standen auch wieder brauchbare Maschinen zur Verfügung wie der RVM 545. Eine der wenigen großen Reedereien, die keine Sattelschlepper fuhr, war die französische CNFR.
Erst jetzt kristallisierten sich für die Besatzungen die Nachteile der Schiffe heraus. Viele waren zugleich stolz, auf diesen Schiffen zu fahren. Nur die ehemaligen Schlepperkapitäne haben es als eine Degradierung empfunden, mit einem Motorschiff zu schleppen (vermutlich erklärt das das leere Schleppen einiger Sattelschlepper, die also de facto als Schlepper und nicht als schleppende Motorschiffe fuhren!). Für die Reedereien waren die Vorteile der Sattelschlepper von Anfang an klar und mit jedem in Betrieb gehenden Schiff starb wieder irgendein Räderboot oder auch Schraubenschlepper.
Diese näheren Angaben zur Entstehungsgeschichte der Sattelschlepper erscheinen sehr viel plausibler und realitätsnäher, als der einfache Gedanke der Erfindung des Sattelschleppers am Schreibtisch eines Kalkulators.
Gernot (wieder mit havariertem und dann von Micha repariertem Winkemännchen)
PS: Hat eigentlich jemand eine Übersicht über die Sattelschlepper bei den verschiedenen Reedereien? Ich habe keine Ahnung, wieviele es insgesamt waren, würde aber einfach mal so auf um die dreißig tippen.