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Hier noch die Geschichte SK-SL Karolin hinter MS Erich Margarethe, anno 1970
Geschichten aus den letzten Tagen der Schleppschifffahrt, 1970, am Mittelrhein um die Reederei Thiel.
Zum besseren Verständnis, diese Geschichte spielt im Umfeld der Reederei Thiel, der Verfasser, damals noch keine 23 Jahre, war Schiffsführer auf dem SK-SL Karolin, Rheinschifferpatent ohne eigene Triebkraft, ja, sowas gab es damals.
Erst mit Erreichen des 23. Lebensjahres wurde es umgeschriben, wenn man auch 6 Monate Fahrzeit auf Motorschiffen nachweisen konnte.
Üblicherweise wurden die SK-SL, also eine Gattung die es heute wohl nicht mehr gibt, Schleppkahn – Schubleichter, es waren eigentlich voll funktionsfähige Schleppkähne an die vorne und hinten eine Schubbühne angebaut war.
Üblicherweise wurden diese Fahrzeuge Karolin, Cornelia, Ehrhadt, Konrad, Thiel 7 und Thiel 8, später noch ein 67 meter Kahn Roswitha, von den Schubbooten Thiel 1 und Thiel II geschoben im Verkehr von Andernach zum Oberrhein.
In der Zeit hatte der damals tätige Schiffsinspektor der Reederei Thiel auch noch ein eigenes Motor-Schiff, das in den gleichen Verkehren fuhr, von Andernach zum Oberrhein.
Die MS Erich Margarethe, 80 mal 9,50, ein Doppelschrauber, zwei mal 450 PS, ehemals ein Stinnes Schiff.
Um die Geschichte besser zu verstehen, auf MS Erich Margarethe war Peter Diez der Schiffsführer, auf SK-SL Karolin eben ich und auf dem Schleppkahn Altwied war der Seppel Schiffsführer und seine und seine Frau Butz Matrose. Mir auf dem SK-SL Karolin war für diese Reise der Steuermann Ebenhardt zugeteilt als zweiter Mann.
Eines der Schubboote hatte wohl einen technischen Ausfall, so wurde entschieden, daß MS Erich Margarethe zwei Schiffe mit zu Berg nahm im Schlepp, er hatte auch noch zwei Schleppwinden aus der Zeit der Schleppschifffahrt.
Es war im Herbst, eigentlich die Nebelzeit.
Peter Diez auf MS Erich Margarethe verstand sich nicht optimal mit mir Schleppschiffer, auch das gehört zum Hintergrund der Geschichte. Die Leute auf den Motorschiffen hatten immer ein wenig Angst, man würde denen Konkurrenz machen wollen um die Stellung.
Es ging also los in Andernach, es wurde klassisch aufgepackt, zuerst bekam der Altwied seinen Draht, dann wir auf Karolin, wir nahmen den Draht von Altwied in den Brittelhacken vorne und nicht wie sonst üblich erst ab dem Gebirge hinten hoch.
Wir nahmen also auch hinten den Draht hoch, weil der kleine Altwied lief so leicht hinterher mit seinen 450 Tonnen, daß der Draht drohte über Grund zu schleifen.
Man legte vorne einen Lierdraht (dünner Draht, für auf die Verhol-Lier, etwa 14 mm Durchmesser) doppelt um den Strang und lief mit diesen beiden Enden auf dem Gangbord nach hinten, hängte das Auge auf den Poller und holte das andere Ende durch und mit ein paar mal durchholen hatte man den Draht oben an der Bordwand.
Man hatte den Strang für die Kähne dahinter immer an der Backbordseite, wenn man den oder die Stränge hinten hoch hatte, übertrugen sich Schwingungen aus dem Draht in den Schiffskörper, im schlimmsten Fall klapperten die Teller im Schrank oder die Kaffeetassen im Steuerhaus.
Schwingungen im Draht entstanden, wenn das Schiff dahinter seitlich versetzt fuhr, der Strang kam mal aus dem Wasser und dann wieder ins Wasser, dadurch kamen Schwingungen in den Draht, lag nun der Draht hinten an der Bordwand, übertrugen sich eben diese Schwingungen, immer dann, wenn der Kahn dahinter seitlich versetzt nach Steuerbord fuhr.
Und so war, es, Seppel steuerte öfters etwas nach Steuerbord, wir merkten das klappern im Steuerhaus und schauten nach hinten, blöder Seppel sagten wir, Eberhardt zu mir oder umgekehrt, das war es dann auch, aber diese Vorgeschichte ist wichtig, um das weitere zu verstehen.
Wir waren gerade aus dem Neuwieder Werth raus, als es mit Nebel zufiel, wir konnten uns zum rechten Ufer hin retten und vor Anker gehen, gegen 10 Uhr morgens.
Eberhardt ging nach vorne zum Anker setzen und nun geschah der Irrtum, Eberhardt rief nach hinten, beide Anker und ich verstand einen Anker und bestätigte mit Ja brüllen.
Ein paar Stunden später wurde es heller und es gab Signal vom Schleppmotor, daß es weiter geht.
Nun war es so, daß beim Umbau zum Schubleichter zwar eine dickere und längere Kette und ein schwerer Spezialklippanker montiert worden war, aber die Winde mit sehr schwachen Zahnrädern blieb die alte Winde aus 1925 ungefähr.
Ich ging daher selbst nach vorne um mit aller Vorsicht den Anker raus zu drehen und weil ich dachte, es wäre nur ein Anker, logischerweise der schwerere, drehte ich auch nur diesen Anker raus. Da über das Vorschiff die Bühne gebaut war, konnte ich auch da nicht sehen, ob ein oder beide Anker unten waren.
Ich drehte also den schweren Anker raus, zog die Flagge hoch, das Zeichen daß wir fahrbereit waren und als auch Seppel auf Altwied seinen Anker draußen hatte, ging es weiter.
Manchmal spürte man Vibrationen im Schiff, wir schauten nach hinten und Seppel fuhr wieder etwas Steuerbord, blöder Seppel.
So ging es ein paar Mal, wir waren schon an Bendorf vorbei, es ging mit gut 6 km/h zu Berg.
Es vibrierte wieder, blöder Seppel und wir schauten nach hinten, aber Seppel fuhr genau unseren Kurs.
Eberhardt fragte ich, mir schwante Böses, wieviel Anker hattest du gesetzt. Zwei sagte er.
Prima, sagte ich, dann ziehen wir seit Neuwied einen Anker mit durch.
Nun, wir hätten die Flagge auf halbmast ziehen können und Peter Diez hätte gestoppt, so waren die Regeln im Schleppzug.
Aber, da hätte Peter eine große Kiste aufgemacht, ich ziehe mir hier einen Wolf und er da hinten hat den Anker noch unten.
Diese Schmach wollte ich mir nicht geben. Also veranstaltete ich „Winde abschmieren.“
Mit Ölkännchen und Fettpresse ging ich gestikulierend nach vorne, falls ich vom Schleppmotor beobachtet würde, und schmierte gestenreich die Winde ab und drehte langsam mit dem kleinen Gang während der Fahrt den Anker rein, mit ganz kleiner Drehzahl am Hatz Motor, damit der Drehmoment nicht zu groß wurde und ich die Winde nicht beschädigte.
Innerhalb einer halben Stunde war der Anker oben, die letzten Meter Kette blitzeblank und wir waren dann an der Mosel. Es ging auf 8 km/h hoch. Aber ab der Mosel lief es ja eh etwas besser, keiner merkte etwas.
Aber damit war die Reise noch lange nicht zu Ende. Irgendwann in der Nacht fiel es unter dem Clemesgrund wieder zu mit Nebel. Vor Anker gehen war die Ansage durch Glockensignale vom Schleppmotor her.
In den Morgenstunden war der Nebel etwas gelichtet, Eberhadt ging die Anker nach vorne raus drehen und wir hatten die Stränge im Anker, keine Chance den Anker in die Glüse zu bekommen.
Die einzige Möglichkeit, den Strang loswerfen und neu aufpacken.
Aber das gefiel dem Kapitän Peter Diez nicht, also fuhr er alleine weiter mit Altwied im Schlepp, Seppel fuhr Backbord an uns vorbei und das ging gut.
MS Erich Margarethe ging in Bingen bei zum telefonieren mit dem Eigner und Inspektor der Reederei Thiel, mit meinem unmittelbaren Vorgesetzten.
Nun, ich konnte ja da nicht liegen bleiben, in Trechtingshausen unter dem Clemens Grund.
Also kam ein Vorspänner und holte mich nach, es wurde in Bingen neu aufgepackt und weiter ging die Fahrt.
In Frei Weinheim stand nun der Inspektor auf dem Steiger und rief mit dem Megaphon rüber, Herr Duhr, Ja, Herr Duhr, wenn sie nochmal los machen, dann bleiben sie liegen.
Ich war eingeschüchtert und schrieb mir das hinter die Ohren.
Es ging weiter, Seppel machte in Mainz los, ein kleines Boot brachte ihn weiter nach Frankfurt, wo ab und an auch Bims hin ging.
Unsere Fahrt endete unterhalb vom Nackenheimer Werth, Nebel. Vor Anker. Diesmal hatte wir den Strang nicht im Anker, statt dessen hatte Erich Margarethe den Strang hinter dem äußeren Backbordruder.
Kapitän Peter Diez ordnete an, wir sollten loswerfen, das würde schneller gehen und dann neu aufpacken. Nein sagte ich, der Inspektor hat gesagt, wenn ich los mache, dann bleibe ich liegen und das will ich nicht.
Er ließ auf Seite sacken und seine Leute kamen rüber und machten los. Das ist eine ganz andere Sache sagte ich, nun können wir wieder aufpacken.
Es ging dann auch weiter bis zum Welschen Loch. Am Sandhofer Grund ging Peters Dampfer zu spät ab, etwa am km 435. Er lief auf Grund. Obwohl alle drei im Steuerhaus waren.
Wir fragten durch Zurufe und Gesten, ob wir losmachen sollten, nein war die Antwort, als wir fast auf gleiche Höhe aufgelaufen waren. Da er schon einige erfolglose Versuche mit voll rückwarts machte, hoffte er, wenn wir in den Strang sacken würden, daß er frei käme. Das war auch so, aber auch der Draht riß.
Nun gingen wir vor Anker, es wurde neu aufgepackt und Peter Diez bekam den Strang in die Backbordschraube, ja, bei einem Doppelschrauber sind die Schrauben weit draußen, da darf der Matrose keinen Meter Draht zuviel fieren. Mit einer Maschine schleppte er uns bis Mannheim an den Block IV.
Er fuhr dann in den Mühlauhafen Mannheim uns es kam ein Taucher und auch der Inspektor.
Als er nun erstmals unsere Version der Geschichte hörte, war wieder Frieden angesagt.
Den Draht bekamen die nicht ganz raus und Peter bekam die Order, er solle versuchen mit uns weiter zu fahren, wir mußten beide nach Karlsruhe, und wenn es irgendeine Unregelmäßigkeit geben sollte, dann solle er uns liegen lassen und alleine weiter fahren, um keinen größeren Schaden zu verursachen.
Wir kamen bis unter den oberen Rheinauhafen in Mannheim und die Order kam von vorne, losmachen, das Drucklager wird warm.
MS Erich Margarethe verschwand in der Nacht.
Nun hatten wir Feierabend, wir waren voll ausgebremst, wir lagen da noch drei Tage in der Wildnis, nur mit dem Nachen konnten wir an Land etwas zum essen besorgen.
Drei oder vier Tage später kam dann eines der Thiel Boote, das uns dann nach Karlsruhe brachte.
Die ganze Aktion hatte mehr als eine Woche gedauert, die Tage ohne Vorkommnisse und Nebelliegezeiten blieben ja unerwähnt.
Eine weitere Fahrt vollkommen im Schlepp hat es danach aber nicht mehr gegeben.
Insgesamt war da noch ein wenig Abenteuer im Spiel, langweilig war es nie. Und alles irgendwie harmlos.
Die beteiligten Personen heute, Peter Diez ist schon etliche Jahre tot, einer seiner Matrosen ist damals kurze Zeit später ertrunken, Eberhardt lebt wohl noch, auch der Inspektor von Thiel lebt noch und erfreut sich wie der Verfasser bester Gesundheit.
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